Aktuelles
BVerfG v. 1.2.2023 - 1 BvL 7/18
Das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen ist mangels Regelungen zu den Folgen und zu Fortführungsmöglichkeiten nach inländischem Recht unwirksamer Auslandskinderehen mit dem Grundgesetz unvereinbar. Konkret ist Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB mit der Ehefreiheit des Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar. Die Vorschrift bleibt jedoch zunächst in Kraft. Der Gesetzgeber hat bis längstens 30.6.2024 Zeit, eine in jeder Hinsicht verfassungsgemäße Regelung zu schaffen.
VG Berlin v. 24.3.2023 - VG 3 L 24/23
Das VG Berlin hat den Eilantrag eines Vaters gegen die teilweise Verwendung einer genderneutralen Sprache an den Gymnasien seiner beiden Kinder sowie die aus seiner Sicht dort im Ethikunterricht einseitig dargestellte Identitätspolitik und die „Critical Race-Theory“ zurückgewiesen.
OLG Oldenburg v. 14.11.2022 - 11 UF 187/22
Bei der Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen einer Erwachsenenadoption haben die Gerichte einen strengen Maßstab anzulegen. Nicht ausreichend ist etwa, dass Erbschaftssteuer gespart, dem Adoptierten ein Aufenthaltsrecht oder den Annehmenden eine günstige Pflegekraft beschafft werden soll.
Die neuen, ab 1.7.2023 geltenden Pfändungsfreigrenzen sind im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht worden:
OLG Brandenburg v. 28.2.2023 - 13 WF 33/23
Der Antragsgegner kann auch die Erklärung abgeben, keinen Unterhalt zahlen zu wollen, etwa weil er insgesamt leistungsunfähig sei. Die Erklärung kann ausdrücklich, aber auch konkludent erfolgen und nach §§ 133, 157 BGB entsprechend ausgelegt werden, wenn sich aus dem Gesamtinhalt der Erklärung mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, in welchem Umfang der Antragsgegner die Unterhaltsforderung gegen sich gelten lassen will.
OLG Brandenburg v.13.3.2023 - 13 UF 83/20
Dass eine Wohnung zur Ehewohnung wird, setzt ein subjektives und ein objektives Element voraus: subjektiv den gemeinsamen Willen beider Ehegatten („bestimmungsgemäß“), in dieser Wohnung das aus dem Recht und der Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft folgende Recht und die entsprechende Pflicht zur häuslichen Gemeinschaft verwirklichen zu wollen; objektiv muss die Indienststellung der Wohnung für eheliche Zwecke hinzukommen, also eine nach außen zu erkennende Nutzungsbeziehung der Ehegatten zu der Wohnung.
BGH v. 18.1.2023 - VII ZB 35/20
§ 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO ist dahin auszulegen, dass bei der Bestimmung des pfandfreien Betrags die laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten des Schuldners ggü. den dem Gläubiger vorgehenden oder gleichstehenden Unterhaltsberechtigten nur in dem Umfang zu berücksichtigen sind, in dem der Schuldner seine gesetzlichen Unterhaltspflichten den weiteren Unterhaltsberechtigten ggü. erfüllt oder in dem er von den weiteren Unterhaltsberechtigten im Wege der Zwangsvollstreckung in Anspruch genommen wird (Aufgabe von BGH, Beschluss v. 5.8.2010 - VII ZB 101/09).
OLG Frankfurt a.M. v. 21.2.2023 - 21 W 104/22
Pflichtteilsstrafklauseln in gemeinschaftlichen Testamenten sollen den Nachlass für den überlebenden Ehegatten möglichst ungeschmälert erhalten. Wird die Verwirkung der Pflichtteilsklausel von den Testierenden nicht nur an das Verlangen des Pflichtteils, sondern auch an den Erhalt des Pflichtteils geknüpft, setzt die Verwirkung der Klausel einen tatsächlichen Mittelabfluss voraus. Ohne Mittelabfluss besteht kein Sanktionierungsgrund.
BGH v. 11.1.2023 - XII ZB 538/21
Gerichtliche Entscheidungen, die während einer Aussetzung der Verhandlung nach § 149 ZPO ergehen, sind nicht nichtig, sondern können mit den gegebenen Rechtsmitteln angefochten werden. Mit Beendigung der Aussetzung durch Erledigung des Strafverfahrens beginnt grundsätzlich die volle gesetzliche Frist zur Begründung eines Rechtsmittels von neuem zu laufen. Verwirft das Rechtsmittelgericht bereits vor Ablauf der Begründungsfrist das Rechtsmittel, ist der Rechtsmittelführer nicht von der fristgerechten Begründung seines Rechtsmittels befreit, wenn der Rechtsweg noch nicht erschöpft ist und er gegen die verwerfende Entscheidung mit dem Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde vorgeht.
BGH v. 25.1.2023 - XII ZB 29/20
Wird die Beschwerde in einer Familiensache beim nicht empfangszuständigen OLG eingelegt und entscheidet dieses trotz Unzulässigkeit der Beschwerde in der Sache, so kann das Rechtsbeschwerdegericht wegen der versäumten Beschwerdeeinlegungsfrist von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren, wenn das fehlende Verschulden des Beschwerdeführers offenkundig ist und die zur Nachholung der Beschwerdeeinlegung ausreichende Übersendung der Akten an das AG von Amts wegen zu erfolgen hatte.
OLG Bamberg v. 26.1.2023 - 1 W 67/22
Eine Vaterschaftsanerkennung ist nicht mehr möglich, wenn die Kindsmutter vor Erteilung der Zustimmung zur Anerkennung verstirbt. Eine teleologische Reduktion verbietet sich, da der Zweck der Regelung in der Tat nicht primär im Schutz der Mutter liegt, sondern auch und gerade in der Gewährleistung der Statuswahrheit.
OLG Frankfurt a.M. v. 19.1.2023 - 6 UF 235/22
Auch in vom Rechtspfleger geführten Kindschaftssachen gelten die Verfahrensvorschriften der § 7, § 158 ff. FamFG. Eine Ergänzungspflegschaft kann nach § 1809 BGB nicht ohne vorgegangene Entscheidung über die Entziehung der Vertretungsmacht nach § 1629 Abs. 2 S. 3, § 1789 Abs. 2 S. 3 und S. 4 BGB erweitert werden, wenn die Vertretungsmacht nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen ist.
BGH v. 9.12.2022 - V ZR 68/22
Das Recht, im Falle von Leistungsstörungen von dem Vertrag zurückzutreten (hier: gem. § 323 Abs. 1 BGB), steht bei einem Vertrag zugunsten Dritter grundsätzlich dem Versprechensempfänger und nicht dem Dritten zu. Auch eine Zustimmung des Dritten ist zur Wirksamkeit des Rücktritts nicht erforderlich, selbst wenn das Recht des Dritten unwiderruflich ist. Nicht ausgeschlossen ist allerdings eine Vereinbarung zwischen Versprechensempfänger und Versprechendem, dass das Rücktrittsrecht dem Dritten zustehen soll. Möglich ist es zudem, dass der Versprechensempfänger sein Rücktrittsrecht an den Dritten abtritt oder diesen zur Ausübung des Rücktrittsrechts ermächtigt.
LG Koblenz v. 24.11.2022 - 3 O 37/22
Es ist nicht zu beanstanden, wenn sich eine private Kindertagesstätte in ihren allgemeinen Vertragsbedingungen dasselbe Recht auf eine ordentliche Vertragskündigung nimmt, das auch den Eltern der Kinder zusteht.
BAG v. 24.11.2022 - 2 AZR 11/22
Das Kündigungsverbot aus § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MuSchG beginnt 280 Tage vor dem voraussichtlichen Entbindungstermin.
AG Frankenthal v. 27.12.2022 - 71 F 11/22
Die bloße Zahlung eines monatlichen Betrages an die Antragstellerin begründet an sich bereits keinen Beitrag zur ehelichen Lebensgemeinschaft. Eine solche setzt vielmehr die wechselseitige Übernahme persönlicher Verantwortung voraus.
BGH v. 7.12.2022 - XII ZB 200/22
Wird eine Beschwerde nach § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG von einem Rechtsanwalt schriftlich eingelegt, ist die Beschwerdeschrift nach § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG als elektronisches Dokument zu übermitteln.
BGH v. 14.12.2022 - XII ZB 318/22
Ist der geschiedene Ehegatte nach Durchführung des Versorgungsausgleichs verstorben, richtet sich das Verfahren auf Abänderung gegen die Erben, die als Antragsgegner hinzuzuziehen sind. Das Abänderungsverfahren nach §§ 31, 51 VersAusglG kann auch durch Hinterbliebene eines ausgleichspflichtigen Ehegatten beantragt werden.
BGH v. 30.11.2022 - XII ZB 311/22
Der als Betreuer bestellte Rechtsanwalt kann eine Tätigkeit im Rahmen der Betreuung gem. § 1835 Abs. 3 i.V.m. § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen, wenn und soweit sich die zu bewältigende Aufgabe als eine für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit darstellt. Hiervon ist auszugehen, wenn ein anderer Betreuer berechtigterweise die entgeltlichen Dienste eines Rechtsanwalts in Anspruch nehmen würde. Im Regelfall ist davon auszugehen, dass ein für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge bestellter nicht anwaltlicher Berufsbetreuer der höchsten Vergütungsstufe für die Vorbereitung eines Eigeninsolvenzantrags des Betreuten keiner anwaltlichen Unterstützung bedarf.
OLG Bamberg v. 10.1.2023 - 2 UF 212/22
Aus dem Wesen der Ehe ergibt sich für beide Ehegatten grundsätzlich die Verpflichtung, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne eine Verletzung eigener Interessen möglich ist. Es besteht daher für beide Ehegatten jeweils die Verpflichtung, in eine Zusammenveranlagung einzuwilligen, wenn dadurch die Steuerschuld des anderen Ehegatten verringert, der in Anspruch genommene aber keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt wird. Eine solche Verpflichtung bleibt auch nach der Scheidung als Nachwirkung der Ehe bestehen.
EuGH v. 12.1.2023 - C-395/21
Eine Klausel eines zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, nach der sich die Vergütung Letzterer nach dem Zeitaufwand richtet, genügt ohne weitere Angaben nicht dem Erfordernis der Klarheit und Verständlichkeit. Das nationale Gericht kann die Lage wiederherstellen, in der sich der Verbraucher ohne eine missbräuchliche Klausel befunden hätte, auch wenn der Gewerbetreibende für die erbrachten Leistungen dann keine Vergütung erhält.
OLG Karlsruhe v. 11.1.2023 - 5 WF 138/22
Zur Erzwingung der Anhörung des Kindes durch das Gericht kommt weder die Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 33 Abs. 3 FamFG noch die Festsetzung von Zwangsmitteln nach § 35 Abs. 1 FamFG in Betracht. Hinsichtlich gerichtlicher Anordnungen zu terminsbezogenen Verpflichtungen von Beteiligten sieht das Gesetz in § 33 Abs. 3 FamFG eine Sanktion in Form von Ordnungsmitteln nur für das persönliche Erscheinen des Beteiligten selbst vor, eine Festsetzung gegen den Inhaber der tatsächlichen Obhut des Kindes ist nicht vorgesehen.
OLG Frankfurt a.M. v. 8.12.2022 - 20 W 301/18
Die Erbeinsetzung eines Vereins, der in dieselbe hierarchische katholische Organisation wie die Pflegeeinrichtung der Erblasserin ohne Begründung eines Über- und Unterordnungsverhältnis eingebunden ist, kann wirksam sein. Die Begünstigung des juristisch von der Pflegeeinrichtung unabhängigen Vereins beinhaltet weder unmittelbar noch mittelbar einen Verstoß gegen die Verbotsnormen des Hessischen Heim- und Pflegegesetzes.
OLG Braunschweig v. 22.12.2022 - 2 UF 122/22
Die Möglichkeit, dass ein allein betreuender Elternteil eines schwer behinderten Kindes zukünftig ausfällt, stellt keine gegenwärtige Kindeswohlgefährdung dar. Die vorbeugende Fremdunterbringung zum Zwecke einer für das Kind vorteilhaften frühzeitigen Eingewöhnung in einer Einrichtung ohne konkreten Anlass rechtfertigt nicht den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und der Gesundheitsfürsorge.
EuGH v. 22.12.2022 - C-279/21
Die dänische Rechtsvorschrift, nach der die Familienzusammenführung zwischen einem türkischen Arbeitnehmer, der sich rechtmäßig in Dänemark aufhält, und seinem Ehegatten an die Voraussetzung geknüpft wird, dass dieser Arbeitnehmer erfolgreich eine Prüfung ablegt, die ein bestimmtes Niveau dänischer Sprachkenntnisse bescheinigt, stellt eine rechtswidrige „neue Beschränkung“ dar. Sie kann nicht mit dem Ziel gerechtfertigt werden, eine erfolgreiche Integration des Ehegatten zu gewährleisten. Denn nach der dänischen Rechtsvorschrift ist weder die Berücksichtigung der eigenen Integrationsfähigkeit des Ehegatten noch anderer Faktoren vorgesehen, die die tatsächliche Integration des betreffenden Arbeitnehmers belegen.
Das BMJ hat am 22.12.2022 mit der Bekanntmachung zu § 115 ZPO festgesetzt, welche Beträge vom Einkommen eines Antragstellers abzusetzen sind, um den Anspruch auf Prozesskostenhilfe zu ermitteln. Die Beträge gelten ab dem 1.1.2023.
BGH v. 12.10.2022 - XII ZB 450/21
Gegen eine Entscheidung, mit der in einem vereinfachten Unterhaltsverfahren eine Beschwerde verworfen wird, ist die Rechtsbeschwerde zulassungsfrei statthaft. Ein Unterhaltsfestsetzungsbeschluss nach § 253 FamFG bedarf, sofern er ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, nicht der Verkündung.
OLG Zweibrücken v. 28.7.2022 - 2 UF 37/22
Der nachdrückliche Wunsch einer 15-Jährigen, gegen Covid-19 geimpft zu werden, ist als Akt der Selbstbestimmung in besonderem Maße beachtlich. Die strikte Ablehnung der Impfung durch die alleinsorgeberechtigte Kindesmutter stellt daher einen Sorgerechtsmissbrauch dar, der dem Kindeswohl zuwiderläuft und den Teilentzug der elterlichen Sorge in Bezug auf die Befugnis zur Entscheidung über eine Covid-19 Impfung und die Anordnung eines Ergänzungspflegers rechtfertigt.
EuGH v. 8.12.2022 - C-731/21
Grenzgänger sind nicht verpflichtet, eine in einem anderen Mitgliedstaat eingegangene eingetragene Lebenspartnerschaft in Luxemburg eintragen zu lassen. Die Gewährung einer Hinterbliebenenpension kann nicht von einer solchen Eintragung zu Lebzeiten der Lebenspartner abhängig gemacht werden.
FG Rheinland-Pfalz v. 15.11.2022 - 6 K 1577/22
Die Klage einer Frau aus Pirmasens wegen Kindergeld war erfolgreich, weil die (auch für Pirmasens) zuständige Agentur für Arbeit Kaiserslautern auf zwei Anfragen des FG nicht reagiert und das Gericht deshalb keine Zweifel hatte, dass das Kind der Klägerin - wie von ihr vorgetragen - im streitigen Zeitraum dort als ausbildungsplatzsuchend gemeldet war.
Zur weiteren Umsetzung der europäischen Vereinbarkeitsrichtlinie in Deutschland hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Dabei geht es um verbindliche Standards zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.
Die von dem OLG Düsseldorf herausgegebene "Düsseldorfer Tabelle" wird zum 1.1.2023 geändert. Die Änderungen gegenüber 2022 betreffen im Wesentlichen die Bedarfssätze minderjähriger und volljähriger Kinder, den Bedarf eines studierenden Kindes und der dem Unterhaltspflichtigen zu belassende Eigenbedarf. Die Tabellenstruktur ist gegenüber 2022 unverändert. Es verbleibt bei den bisherigen 15 Einkommensgruppen und dem der Tabelle zugrundeliegenden Regelfall von zwei Unterhaltsberechtigten.
BGH v. 2.11.2022 - XII ZB 339/22
Die Frage, ob der Betroffene im Zeitpunkt der Vollmachterteilung nach § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig war, hat das Gericht nach § 26 FamFG von Amts wegen aufzuklären. Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen hat es von Amts wegen nachzugehen.
OLG Braunschweig v. 10.10.2022 - 5 VA 1/22
Die sog. Khol-Scheidung nach iranischem Recht ist als Kombination der gerichtlichen Feststellung des Scheiterns der Ehe in dem nach §§ 8ff. des iranischen Gesetzes zum Schutze der Familie vom 4.2.1975 (FamSchutzG) durchzuführenden Verfahren und der anschließenden notariellen Registrierung gem. § 107 FamFG als gerichtliche Scheidung anerkennungsfähig. Die Gerichtsentscheidung, die die Unmöglichkeit einer Versöhnung feststellt, ist für die Scheidung konstitutiv, da nach deren Erlass keiner der Ehegatten allein den Vollzug der Scheidung mehr verhindern kann.
OLG Frankfurt a.M. v. 1.8.2022 - 20 W 98/21
Die anfängliche Weigerung eines Standesamtes, eine Person nicht-binärer Geschlechtszugehörigkeit als Elternteil ins Geburtsregister einzutragen, kann nach späterer Adoption und daraufhin erfolgter Eintragung nicht isoliert auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden. Ein solcher Feststellungsantrag besteht im Rechtsschutzsystem der Freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht und es besteht auch keine Veranlassung für eine erweiternde Auslegung.
EuGH v. 15.11.2022 - C-646/20
Der EuGH hat sich vorliegend mit der automatischen Anerkennung außergerichtlicher Ehescheidungen befasst. Eine von einem Standesbeamten eines Mitgliedstaats errichtete Scheidungsurkunde, die eine Vereinbarung der Ehegatten über die Ehescheidung enthält, die sie vor dem Standesbeamten getreu den in den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats vorgesehenen Bedingungen bestätigt haben, stellt eine Entscheidung im Sinne der Brüssel-IIa-Verordnung dar.
BGH v. 21.9.2022 - XII ZB 504/21
Nach §§ 1617 b Abs. 1 Satz 3 und 4, 1617 c Abs. 1 BGB kann die durch Begründung des gemeinsamen Sorgerechts erfolgende Namensneubestimmung ohne eine Anschließung des Kindes nur dann automatisch erfolgen, wenn das Kind zu dem Zeitpunkt, in dem die Neubestimmung wirksam werden soll, das fünfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Dieser Regelung liegt zugrunde, dass der Name eines Menschen, der Ausdruck der Identität sowie Individualität des Namensträgers ist, nach ständiger BVerfG-Rechtsprechung durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 GG geschützt ist.
BVerfG v. 16.9.2022 - 1 BvR 1807/20
Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde von Eltern nicht zur Entscheidung angenommen, denen wegen des Verdachts erheblicher Misshandlungen ihres zu den Vorfallzeitpunkten nur wenige Monate alten Kindes weite Teile des Sorgerechts entzogen wurden. Die Eltern hatten sich dadurch vor allem in ihrem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt gesehen.
Kurzbesprechung
Beginnt das Kind nach erfolgreich abgeschlossenem Medizinstudium ein Dienstverhältnis an einer Klinik, das als Vorbereitungszeit zur Erlangung der Facharztqualifikation dient, ist ein Kindergeldanspruch während dieses Dienstverhältnisses mangels Vorliegens einer Berufsausbildung i.S.d. § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ausgeschlossen, wenn bei einer Gesamtbetrachtung des Dienstverhältnisses der Erwerbscharakter und nicht der Ausbildungscharakter im Vordergrund steht.
BVerwG v. 27.10.2022 - 5 C 4.21
Für ein Kind in Vollzeitpflege umfasst der vom Jugendhilfeträger sicherzustellende Unterhalt über die gewährten Unterhaltspauschalen hinaus auch die den Pflegeeltern entstehenden Kosten für die Förderung in einer Kindertagesstätte, wenn diese Kosten - wie in Nordrhein-Westfalen - von der Pauschalierung ausgenommen worden sind.
OLG Stuttgart v. 13.10.2022 - 17 UF 186/22
Ein in der Ukraine lebender Vater kann von der getrenntlebenden Ehefrau nicht die Rückführung eines von ihr ohne Einverständnis des Vaters aus der Ukraine nach Deutschland verbrachten Kindes, verlangen.
OLG Hamburg v. 18.8.2022 - 12 WF 87/22
Wenn in einem Umgangsverfahren ein Elternteil vor Inanspruchnahme des Gerichts keine Beratung oder Vermittlung durch das Jugendamt in Anspruch nimmt, kommt im Einzelfall die Ablehnung von Verfahrenskostenhilfe wegen Mutwilligkeit in Betracht.
OLG Frankfurt a.M. v. 12.10.2022 - 17 U 125/21
Während einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft geschenkte Gegenstände und Geldbeträge können bei grobem Undank zurückgefordert werden. Die dafür erforderliche Verfehlung von gewisser Schwere und eine die Dankbarkeit vermissende Gesinnung konnte das OLG Frankfurt a.M. nach der Trennung eines im gehobenen Lebensstil lebenden Paares nicht feststellen. Es wies Ausgleichsansprüche des Mannes u.a. im Zusammenhang mit Kreditkartenabhebungen über die überlassene Zweitkarte und übergebener Diamant-Ohrringe zurück.
FG Münster v. 24.8.2022 - 7 K 1646/20 E
Von einem nahen Angehörigen erhaltene Zinsen sind nicht steuerpflichtig, wenn der zugrundeliegende Darlehensvertrag steuerlich nicht anzuerkennen ist. Unabhängig davon fehlt es an einer Überschusserzielungsabsicht, wenn ein hingegebenes Darlehen dieselben Konditionen enthält wie das Refinanzierungsdarlehen.
OLG Karlsruhe v. 25.8.2022 - 5 UFH 3/22
Eine Kindeswohlgefährdung kommt in Betracht, wenn Eltern - erst wegen der Corona-Maßnahmen, dann wegen einer bevorzugten häuslichen Beschulung - den Schulbesuch ihres Kindes verweigern. In der Folge kann das Sorgerecht der Eltern eingeschränkt und dem Jugendamt die Umsetzung der Schulpflicht übertragen werden.
BGH v. 7.9.2022 - XII ZB 215/22
Die einfache Signatur i.S.d. § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO meint die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes, beispielsweise bestehend aus einem maschinenschriftlichen Namenszug unter dem Schriftsatz oder einer eingescannten Unterschrift. Nicht genügend ist das Wort "Rechtsanwalt" ohne Namensangabe.
LSG NRW v. 6.4.2022 - L 12 AS 1323/19
Das LSG NRW hatte über die Gewährung von SGB II-Leistungen für die ersten drei Lebensmonate einer ausländischen Klägerin zu entscheiden. Der Aufenthaltstitel der Mutter war dabei auf die Klägerin zu übertragen, urteilte das Gericht.
OLG Brandenburg v. 5.7.2022 - 13 UF 42/22
Handelt es sich um eine Angelegenheit der Gesundheitssorge, so ist die Entscheidung zugunsten des Elternteils zu treffen, der im Hinblick auf die jeweilige Angelegenheit das für das Kindeswohl bessere Konzept verfolgt, wobei das Gericht nicht anstelle der Eltern eine eigene Sachentscheidung zu treffen hat. Im Rahmen der nach § 1697a BGB vorzunehmenden Kindeswohlprüfung ist auch der Kindeswille beachtlich. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Kind sich im Hinblick auf sein Alter und seine Entwicklung auch eine eigenständige Meinung zum Gegenstand des Sorgerechtsstreits bilden kann.
AG Aschersleben v. 15.8.2022 - 6 Ds 535 Js 15302/21
Der Gesetzgeber hat das Auseinanderfallen von rechtlicher und tatsächlicher Vaterschaft gesehen und hingenommen. Mit den Anfechtungsmöglichkeiten sind ausreichend Instrumente bereitgestellt. Die familienrechtliche Vaterschaft schlägt auch auf das Strafrecht durch.
OLG Brandenburg v. 22.6.2022 - 13 UF 49/22
Nach § 1568a Abs. 1 BGB kann ein Ehegatte zwar verlangen, dass der andere ihm die Ehewohnung anlässlich der Scheidung überlässt, wenn er auf deren Nutzung unter Berücksichtigung des Wohls der im Haushalt lebenden Kinder und der Lebensverhältnisse der Ehegatten in stärkerem Maße angewiesen ist als der andere oder wenn die Überlassung aus anderen Gründen der Billigkeit entspricht. Anspruchsziel ist allerdings allein die vollständige Überlassung der Wohnung zu Wohn- bzw. Benutzungszwecken. Die Möglichkeit der Teilung der Wohnung ist nach geltendem Recht nicht vorgesehen.