BGH v. 21.5.2025 - XII ZB 486/24

Zur Anwendbarkeit der aufgehobenen Vorschrift des § 7 a UVG auf bereits vor dem 1.1.2025 fällig gewordene und dann übergegangene Unterhaltsansprüche

Die zum 1.1.2025 aufgehobene Vorschrift des § 7 a UVG ist auch weiterhin auf Unterhaltsansprüche anzuwenden, die bereits vor diesem Zeitpunkt fällig geworden und dann auf den Träger der Unterhaltsvorschusskasse übergegangen sind. § 7 a UVG hindert die gerichtliche Geltendmachung derartiger Unterhaltsansprüche für solche Zeiträume nicht, in denen der Unterhaltspflichtige über eigenes Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II verfügte. Letzteres war auch dann der Fall, wenn der Unterhaltspflichtige die Absetzbeträge des § 11 b SGB II übersteigende Erwerbseinkünfte erzielte und lediglich ergänzende Leistungen nach dem SGB II bezog (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 31.5.2023 - XII ZB 190/22, FamRZ 2023, 1287).

Der Sachverhalt:
Das antragstellende Land (Antragsteller) macht als Träger der Unterhaltsvorschusskasse gegen den Antragsgegner Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht geltend.

Der Antragsgegner ist der Vater dreier in den Jahren 2005, 2009 und 2014 geborener Kinder, die bei ihrer Mutter leben. Der Antragsteller erbrachte bzw. erbringt für die Kinder Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG). Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum arbeitete der Antragsgegner im Umfang von 16 Wochenstunden in einem Restaurant und erzielte dadurch ein mtl. Nettoeinkommen i.H.v. rd. 550 € in den Jahren 2019 und 2020, rd. 565 € im Jahr 2021 bzw. rund 636 € seit dem Jahr 2022. Darüber hinaus bezog er ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Antragsteller beantragte, den Antragsgegner für die Zeit ab Juli 2019 zur Zahlung von Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht in näher bezeichneter Höhe zu verpflichten. 

Das AG wies den Antrag unter Hinweis auf § 7 a UVG ab. Das OLG gab dem Antrag insoweit statt, als es den Antragsgegner zur Zahlung von rückständigem Unterhalt für die drei Kinder i.H.v. 3.125 €, 10.369 € bzw. 10.500 € und ab Oktober 2024 zur Zahlung eines laufenden Unterhalts für das jüngste Kind i.H.v. 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle abzgl. des vollen gesetzlichen Kindergeldes verpflichte. Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Vorschrift des § 7 a UVG steht einer gerichtlichen Geltendmachung der auf den Antragsteller übergegangenen Unterhaltsansprüche nicht entgegen. Für die nach dem 31.12.2024 fällig gewordenen Ansprüche folgt dies bereits daraus, dass die genannte Vorschrift zum 1.1.2025 aufgehoben worden ist. Aber auch die Verfolgung derjenigen Ansprüche, die bis zum 31.12.2024 fällig geworden sind, wird vorliegend durch § 7 a UVG nicht gehindert.

Die zum 1.7.2017 in Kraft getretene Vorschrift des § 7 a UVG untersagte dem Träger der Unterhaltsvorschusskasse die Verfolgung des nach § 7 UVG übergegangenen Unterhaltsanspruchs, solange der Elternteil, bei dem der Berechtigte nicht lebte, Leistungen nach dem SGB II bezog und über kein eigenes Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II verfügte. Nach der Rechtsprechung des Senats untersagte § 7 a UVG nicht nur die Vollstreckung, sondern bereits die gerichtliche Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs durch den Träger der Unterhaltsvorschusskasse für die Zeiträume, in denen die Voraussetzungen der Norm erfüllt waren (vgl. BGH v. 31.5.2023 - XII ZB 190/22, FamRZ 2023, 1287 Rn. 12 ff.). Durch Art. 11 Nr. 2 i.V.m. Art. 74 Abs. 1 des Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes vom 23.10.2024 ist § 7 a UVG mit Wirkung zum 1.1.2025 aufgehoben worden. Eine Übergangsregelung ist zwar nicht geschaffen worden. Aber Art. 11 Nr. 2 BEG IV ist gleichwohl dahingehend auszulegen, dass die Aufhebung des § 7 a UVG nur für Unterhaltszeiträume ab dem 1.1.2025 Wirkung entfaltet, so dass § 7 a UVG auch weiterhin auf Unterhaltsansprüche anzuwenden ist, die bereits vor diesem Zeitpunkt fällig geworden und dann auf den Träger der Unterhaltsvorschusskasse übergegangen sind.

Die Aufhebung des § 7 a UVG zum 1.1.2025 hat nicht dazu geführt, dass bereits vor diesem Zeitpunkt fällig gewordene Ansprüche nunmehr ohne Weiteres vom Träger der Unterhaltsvorschusskasse gerichtlich geltend gemacht werden könnten. Vielmehr ist die Verfolgung dieser Ansprüche auch weiterhin für solche Zeiträume ausgeschlossen, in denen die Voraussetzungen der genannten Norm erfüllt waren. Indes waren hier hinsichtlich der vor dem 1.1.2025 fällig gewordenen Unterhaltsansprüche nicht alle Voraussetzungen des § 7 a UVG erfüllt, weil der Antragsgegner durchgehend über eigenes Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II verfügte. Die Frage der Anwendbarkeit des § 7 a UVG auf Fälle, in denen der Unterhaltspflichtige eigenes Einkommen erzielte und ergänzende Leistungen nach dem SGB II bezog, ist allerdings umstritten. So wird § 7 a UVG teilweise auch dann für anwendbar gehalten, wenn der Unterhaltspflichtige eigenes Einkommen erzielte, solange dieses den Bezug von Leistungen nach dem SGB II nicht hinderte bzw. den Leistungsanspruch nicht vollständig ausschloss. Nach abweichender Ansicht ließ eigenes Einkommen den Schutz des § 7 a UVG auch dann entfallen, wenn die Einnahmen nicht ausreichten, um den sozialrechtlichen Bedarf oder den unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen abzudecken. Die zuletzt genannte Auffassung ist zutreffend.

Die Vorschrift des § 7 a UVG kann nicht erweiternd dahingehend ausgelegt werden, dass der Unterhaltspflichtige auch dann nicht über eigenes Einkommen verfügt, wenn er zwar die Absetzbeträge des § 11 b SGB II übersteigende Erwerbseinkünfte erzielt, diese den Bezug von Leistungen nach dem SGB II aber nicht hindern oder vollständig ausschließen. Eine solche Auslegung scheitert bereits am insoweit eindeutigen Wortlaut des § 7 a UVG. Denn des Halbsatzes "und über kein eigenes Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 1 des SGB II verfügt" hätte es nicht bedurft, wenn die Verfolgung übergegangener Unterhaltsansprüche in allen Fällen hätte ausgeschlossen werden sollen, in denen der Unterhaltspflichtige (gegebenenfalls auch nur ergänzende) Leistungen nach dem SGB II bezog. Nach alledem steht § 7 a UVG einer gerichtlichen Geltendmachung der vor dem 1.1.2025 fällig gewordenen Unterhaltsansprüche nicht entgegen, weil der Antragsgegner durchgehend über eigenes Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II verfügte. Denn er erzielte Erwerbseinkünfte, die deutlich über den Absetzbeträgen des § 11 b SGB II lagen.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung (siehe Leitsätze)
§ 7a UVG: Geltendmachung von übergegangenen Unterhaltsansprüchen bei Bezug von Grundsicherungsleistungen
BGH vom 31.05.2023 - XII ZB 190/22
FamRZ 2023, 1287

Aufsatz
Aktuelles zum Unterhaltsvorschuss
Heinrich Schürmann, FamRZ 2025, 16

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.06.2025 17:26
Quelle: BGH online

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