OLG Nürnberg v. 10.4.2025, 10 UF 1180/24
Nicht mehr sorgeberechtigter Elternteil kann nicht die Kündigung eines Privatschulvertrages verlangen
Bei fortbestehender gemeinsamer elterlicher Sorge kann ein von gemeinsam sorgeberechtigten Eltern abgeschlossener Schulvertrag nur von beiden gemeinsam gekündigt werden. Der nicht mehr sorgeberechtigte Elternteil kann gegen den Willen des Sorgerechtsinhabers von ihm keine Mitwirkung an der Kündigung des Schulvertrages verlangen.
Der Sachverhalt:
Die mittlerweile geschiedenen Eltern hatten im Jahr 2016 bzw. 2018, als noch gemeinsame Sorge für beide Kinder bestand, im eigenen Namen Schulverträge mit einer Privatschule abgeschlossen. Im Februar 2022 hat das Familiengericht dem Vater u.a. für die Schulangelegenheiten der beiden Kinder die elterliche Sorge zur alleinigen Ausübung übertragen. Daraufhin wünschte die Mutter (Antragstellerin) eine Beendigung der beiden Schulverträge, was von dem Vater (Antragsgegner) abgelehnt wurde.
Die Antragstellerin war der Ansicht, es handele sich bei der gewählten Schule nicht mehr um die richtige Schulform; die Kinder sollten stattdessen in eine Regelschule gehen. Außerdem sei sie mit der konkreten Schule wegen des ständigen Lehrerwechsels unzufrieden. Zudem behauptete sie, sie könne die mit dem Schulbesuch der Kinder verbundenen Kosten nicht mehr tragen. Die Antragstellerin beantragte, den Antragsgegner zu verpflichten, der Kündigung der Schulverträge zuzustimmen.
Der Antragsgegner und die Schule lehnten ihre Entlassung aus dem Vertrag ab. Der Vater wies darauf hin, dass im Falle der Beendigung des Schulvertrages im Hinblick auf seine Einkommensverhältnisse keinesfalls sicher sei, dass die Schule mit ihm allein einen neuen Schulvertrag abschließen würde. Die Kinder müssten dann die Schule womöglich doch verlassen, was nicht kindeswohldienlich sei.
Das Ag hat den Antrag der Mutter abgewiesen. Das OLG hat die Entscheidung im Beschwerdeverfahren bestätigt.
Die Gründe:
Der Antragstellerin steht ein Anspruch gegenüber dem Antragsgegner auf gemeinsame Erklärung der Vertragskündigung nicht zu. Sie ist stattdessen darauf angewiesen, sich mit dem Antragsgegner über die Fortgeltung der Schulverträge und damit über das Schicksal der von ihr selbst als Gesamtschuldnerin eingegangenen Verpflichtungen zu einigen.
Die gesetzliche Verpflichtung eines Elternteils zur gemeinsamen Kündigung des auf das gemeinsame Kind bezogenen Schulvertrages zusammen mit dem anderen Elternteil ergibt sich insbesondere nicht aus der Rechtsstellung als Mutter bzw. Vater als solcher. Unabhängig davon, ob man zwischen Eltern – unabhängig von einer etwa bestehenden oder bereits beendeten Ehe – überhaupt ein insofern relevantes rechtliches Schuld- oder Näheverhältnis annehmen möchte, werden hieraus unter Umständen resultierende Rücksichtnahme- oder Mitwirkungspflichten jedenfalls von den gesetzlichen Regelungen zur Wahrnehmung der elterlichen Sorge überlagert.
Erst recht kann der nicht sorgeberechtigte Elternteil die Kündigung des auf das Kind bezogenen Schulvertrages nicht erzwingen. Denn bei alleinigem Sorgerecht ist der sorgeberechtigte Elternteil nach § 1631 Abs. 1 BGB allein berechtigt, die Ziele und Wege einer Ausbildung unter Berücksichtigung der Eignung und Neigung des Kindes verantwortlich festzulegen und die hierfür ggf. erforderlichen Verträge zu schließen. Der barunterhaltspflichtige Elternteil muss solche Entscheidungen grundsätzlich hinnehmen, auch wenn sie sich kostensteigernd für ihn auswirken und sie ihm nicht sinnvoll erscheinen.
Wie die aufgrund des Schulvertrags anfallenden Kosten wirtschaftlich zwischen den Eltern verteilt werden, ist keine Frage der Beendigung des Schulvertrages im Außenverhältnis, sondern stellt allein eine unterhaltsrechtliche Frage im Verhältnis zwischen dem barunterhaltspflichtigen Elternteil und dem unterhaltsberechtigten Kind bzw. zwischen den beiden Elternteilen dar. Würde der allein sorgeberechtigte Elternteil entscheiden, gemeinsame Kinder in eine kostenpflichtige private Schule einzuschulen, ist diese Entscheidung von dem nicht sorgeberechtigten aber barunterhaltspflichten Elternteil grds. zu akzeptieren, auch wenn sie wegen des hierdurch entstehenden Mehrbedarfs mit zusätzlichen Kosten belastet wäre.
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Aufsatz
Yves Döll
Rechtsprechungsübersicht zum Recht der elterlichen Sorge und des Umgangs
FamRZ 2025, 1250
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