OLG Celle v. 19.8.2025 - 17 UF 52/25

Auszahlung des anteiligen Kindergeldes für im Wechselmodell betreute Kinder

Im Wechselmodell kann der das Kindergeld nicht beziehende Elternteil ein Viertel des Kindergeldes auch ohne Vortrag zum Unterhaltsanspruch des Kindes vom anderen Elternteil verlangen. Der entsprechende familienrechtliche Ausgleichsanspruch unterliegt der Zeitschranke des § 1613 Abs. 1 BGH. Die Aufforderung zur Auskunft wegen im künftigen Wechselmodell möglicherweise geschuldeten Unterhalts löst die Verpflichtung zur rückwirkenden anteiligen Auszahlung des Kindergeldes aus.

Der Sachverhalt:
Die Beteiligten leben seit Januar 2020 getrennt. Die 2009, 2013 und 2019 geborenen Kinder leben mittlerweile in Obhut der allein sorgeberechtigten Antragsgegnerin. Die Eltern erklärten nach der Trennung übereinstimmend ihre Absicht, die Kinder im Wechselmodell betreuen zu wollen. Im Rahmen einer vor dem Familiengericht im Mai 2020 getroffenen Umgangsvereinbarung einigten sie sich auf eine Betreuung der beiden Söhne im Wechselmodell, die sie bis Oktober 2021 auch umsetzten, während die Tochter allein durch die Antragsgegnerin betreut wurde.

Nachdem die Antragsgegnerin den Antragsteller zur Auskunft über seine Einkünfte aufgefordert hatte, forderte dieser die Antragsgegnerin gleichfalls am 31.3.2020 zur Auskunft über ihr Einkommen auf. Dabei bezog er sich ausdrücklich auf einen im Wechselmodell bestehenden etwaigen Anspruch auf Unterhalt. Der Antragsteller behauptete, die Beteiligten hätten bereits zwischen Februar und Mai 2020 ein Wechselmodell ausgeübt. Für die Dauer des Wechselmodells schulde ihm die Antragsgegnerin ein Viertel des bezogenen Kindergeldes. Aufwendungsersatzansprüche könne sie dem Anspruch nicht entgegenhalten, weil er gleichfalls Aufwendungen getragen habe und es dafür einer unterhaltsrechtlichen Gesamtberechnung bedürfe, die die Antragsgegnerin nicht angestellt habe.

Das AG hat den Antrag auf Zahlung von 2.303 € abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers vor dem OLG war überwiegend erfolgreich. Allerdings wurde die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen.

Die Gründe:
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an den Antragsteller 1.736 € zu zahlen.

Im Wechselmodell kann der das Kindergeld nicht beziehende Elternteil ein Viertel des Kindergeldes auch ohne Vortrag zum Unterhaltsanspruch des Kindes vom anderen Elternteil verlangen. Dies gilt auch für die aufgrund der CoronaPandemie anlässlich der Kinderbetreuung gezahlten Beträge, die im Unterhalt ebenso zu behandeln sind, wie das monatlich ausgezahlte, staatliche Kindergeld. Dabei steht die Subsidiarität des familienrechtlichen Ausgleichsanspruches dem Ausgleich des auf die Betreuung entfallenden anteiligen Kindergeldes nicht entgegen. Ein familienrechtlicher Ausgleich kommt für Ansprüche auf Kindesunterhalt allerdings nur dann in Betracht, wenn der Anspruch des Kindes erloschen (etwa wegen Erfüllung) ist. Das war hier nicht der Fall, weil der Kindesunterhalt angesichts der beiderseitigen Auskunftsbegehren aus dem Jahr 2020 weiterhin durchgesetzt werden könnte. Um einen dem Kind zustehenden Anspruch ging es hier auch nicht. Der auf die Betreuung entfallende Kindergeldanteil steht dem Elternteil selbst zu.

Der dem Antragsteller zustehende familienrechtliche Ausgleichsanspruch unterliegt ebenso wie ein etwaiger Unterhaltsanspruch der Zeitschranke des § 1613 Abs. 1 BGB, so dass das ausgezahlte Kindergeld nur ab Beginn des Monats anteilig verlangt werden kann, zu dem der Ausgleichsanspruch rechtshängig geworden, der Ausgleichspflichtige in Verzug geraten oder auf Auskunft über seine Einkünfte in Anspruch genommen worden ist. Diese Voraussetzungen lagen hier jedenfalls ab dem Monat April 2020 vor, weil der Antragsteller die Antragsgegnerin am 31.3.2020 zur Auskunft über ihr Einkommen im Hinblick auf einen etwaigen Anspruch auf Kindesunterhalt in Anspruch genommen hatte.

Um die Unterhaltspflicht für die Vergangenheit auszulösen, bedarf es lediglich eines entsprechenden Auskunftsanspruches, der hier angesichts der weiten Formulierung in § 1605 Abs. 1 BGB, der auf ein Interesse an der Auskunft zur Bezifferung eines Unterhaltsanspruches abstellt, ohne Weiteres bestand. Die Aufforderung zur Auskunft wegen im künftigen Wechselmodell möglicherweise geschuldeten Unterhalts löst die Verpflichtung zur rückwirkenden anteiligen Auszahlung des Kindergeldes aus. Die Aufrechnungserklärung der Antragsgegnerin ließ den Ausgleichsanspruch des Antragstellers unberührt, weil es an einer Aufrechnungslage fehlte. Aufgrund des anerkannten Anspruches auf Kindesunterhalt im Wechselmodell besteht kein Anspruch auf Erstattung einzelner, für die Kinder getätigter Aufwendungen.

Die Voraussetzungen, unter denen auch im Wechselmodell, in dem die miteinander verheirateten Partner nicht vertretungsberechtigt sind, rückständiger Kindesunterhalt bzw. - wie hier - familienrechtlicher Ausgleich verlangt werden kann, sind bislang nicht höchstrichterlich geklärt. Der Senat hat dementsprechend die Rechtsbeschwerde zugelassen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 27.10.2025 16:04
Quelle: Niedersächsisches Landesjustizportal

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