OLG Frankfurt a.M. 23.7.2025 - 6 UF 79/25

Kindeswohlgefährdung als Voraussetzung für unbefristete begleitete Umgänge

Die Anordnung unbefristeter begleiteter Umgänge i.S.d. § 1684 Abs. 4 Satz 3, 4 BGB setzt eine Kindeswohlgefährdung voraus. Fehlt es an einer solchen, können begleitete Umgänge für höchstens sechs Monate angeordnet werden, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Dies ist zu bejahen, wenn zwischen dem Elternteil und den Kindern wegen einer längeren räumlichen Trennung (hier: Verbleib des Vaters in der Ukraine) eine Entfremdung eingetreten ist und aus Sicht der Kinder erst wieder Vertrauen aufgebaut werden muss.

Der Sachverhalt:
Die Eltern der betroffenen neun und sechsjährigen Kinder sind ukrainische Staatsangehörige. Die in der Ukraine durchgeführte Scheidung ist inzwischen rechtskräftig. Die Kindesmutter reiste Ende März 2022 mit beiden Kindern und Zustimmung des Kindesvaters als Kriegsflüchtling nach Deutschland, während der Kindesvater zunächst in der Ukraine verblieb. Im Frühjahr 2024 kam er ebenfalls nach Deutschland. Die Eltern lebten bereits getrennt. Bis zu seiner Einreise nach Deutschland hatte der Kindesvater lediglich telefonischen Kontakt mit seinen Kindern. Er gehört der Glaubensgemeinschaft der Adventisten an und hat in Deutschland einige Verwandte. Die Kindesmutter lebt mit den Kindern in einer Ein- Zimmer-Wohnung. Sie will dauerhaft in Deutschland bleiben.

Die Eltern stritten vor dem AG zunächst um das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitssorge. Die Mutter befürchtete eine Kindesentführung durch den Vater wegen dessen beabsichtigter Rückkehr in die Ukraine. Außerdem sei der Kindesvater mit den in Deutschland auf ihre Veranlassung durchgeführten Schutzimpfungen der Kinder aus religiösen Gründen nicht einverstanden gewesen. In dem von Amts wegen eröffneten Umgangsverfahren schlossen die Eltern am 28.5.2024 eine gerichtlich gebilligte Umgangsvereinbarung. Danach hatte der Kindesvater das Recht und die Pflicht zum Umgang mit den Kindern wöchentlich in Anwesenheit der Kindesmutter. Als der Vater eine Berufstätigkeit aufgenommen hatte, vereinbarten die Eltern mit Hilfe des Jugendamtes, dass der Umgang auf das Wochenende verlegt wird.

Im vorliegenden Verfahren hat der Kindesvater beantragt, das Umgangsrecht so zu regeln, wie es dem Wohl der Kinder am besten entspricht. Er wünsche sich eine Ausweitung der Umgänge, die auch unbegleitet gut funktioniert hätten. Es gebe keinen Grund mehr für die Anwesenheit der Kindesmutter bei den Umgängen. Auch kämen die von ihr festgelegten Telefontermine oft nicht zustande. Die Kindesmutter manipuliere die Kinder. Die Kindesmutter ist dem Antrag entgegengetreten. Die Umgänge seien nicht gut verlaufen. Der Kindesvater wolle den Kindern seine Glaubensregeln auferlegen, bedränge und verängstige sie hierdurch, so dass sie mittlerweile den Umgang mit ihm ablehnen würden.

Im laufenden Verfahren hat der Sohn angegeben, den Kindesvater nicht besuchen zu wollen. Die Tochter hat geäußert, den Kindesvater weniger sehen zu wollen. Das AG hat daraufhin weiterhin unbefristet begleitete Umgänge angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Vaters war insoweit erfolgreich, als die begleiteten Umgänge zu befristen sind und für die Folgezeit unbegleitete Umgänge geregelt werden.

Die Gründe:
Das AG hat zwar die Voraussetzungen des § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB zu Recht als erfüllt angesehen. Es hat auch zu Recht begleitete Umgänge angeordnet. Die Anordnung der begleiteten Umgänge durfte aber nicht unbefristet erfolgen.

Die Anordnung unbefristeter begleiteter Umgänge i.S.d. § 1684 Abs. 4 Satz 3, 4 BGB setzt eine Kindeswohlgefährdung voraus. Fehlt es an einer solchen, können begleitete Umgänge für höchstens sechs Monate angeordnet werden, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Dies ist zu bejahen, wenn zwischen dem Elternteil und den Kindern wegen einer längeren räumlichen Trennung (hier: Verbleib des Vaters in der Ukraine) eine Entfremdung eingetreten ist und aus Sicht der Kinder erst wieder Vertrauen aufgebaut werden muss.

Der Umgang darf für die Zeit nach Fristablauf der begleiteten Umgänge nicht ungeregelt bleiben. Ist bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung - wie hier - absehbar, dass im Anschluss an die Umgangsbegleitung unbegleitete Umgänge in Betracht kommen, sind die Begleittermine zu befristen und es ist eine Anschlussregel hinsichtlich des unbegleiteten Umgangs zu treffen (OLG Köln, Beschl. v. 11.7.2022 - 14 UF 34/22; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.9.2018 - 4 UF 62/18). Andernfalls würde nur eine Teilentscheidung getroffen werden, die in Umgangssachen wegen der Gefahr divergierender Sachentscheidungen regelmäßig nicht zulässig ist.

Die getroffene Umgangsregelung entspricht dem Wohl der Kinder am besten. Der Senat ist sich bewusst, dass es sich bei dem geregelten Umgang nur um einen Mindestumgang handelt. Dennoch ermöglicht dieser dem Kindesvater, sich von dem Befinden und der Entwicklung der Kinder zu überzeugen, einer Entfremdung vorzubeugen und seinem Liebesbedürfnis gerecht zu werden. Gleichzeitig schützt die Regelung die beiden Kinder vor einer Überforderung und ist geeignet, das mit Unterstützung der Umgangsbegleitung aufgebaute Vertrauen zu festigen sowie das Verhältnis zwischen den Kindern und dem Kindesvater zu normalisieren und zu stabilisieren.

Mehr zum Thema:

Beratermodul Familienrecht
Otto Schmidt Answers optional dazu buchen und die KI 4 Wochen gratis nutzen! Die Answers-Lizenz gilt für alle Answers-fähigen Module, die Sie im Abo oder im Test nutzen. Enthält den Erman mit online Aktualisierungen: Aktuelle Kommentierung zum Vormundschaftsrecht und Betreuungsrecht! 4 Wochen gratis nutzen!



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 13.08.2025 15:05
Quelle: LaReDa Hessen

zurück zur vorherigen Seite