OLG Schleswig-Holstein v. 30.9.2025 - 8 WF 121/25

Verfahrenswert: Sozialleistungen bei Ermittlung des Einkommens der beteiligten Ehegatten zu berücksichtigen

Bei der Festsetzung des Verfahrenswerts nach § 43 FamGKG sind im Rahmen der Ermittlung des Einkommens der beteiligten Ehegatten Sozialleistungen zu berücksichtigen.

Der Sachverhalt:
Das Beschwerdeverfahren betrifft die Festsetzung des Verfahrenswerts in einer Scheidungssache. Das AG- Familiengericht - setzte in der Scheidungssache den Verfahrenswert auf den gesetzlichen Mindestwert fest, und zwar für die Scheidungssache auf 3.000 € und für die Versorgungsausgleichsfolgesache auf 1.000 €.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin (Beschwerdeführerin), mit der sie im Wesentlichen geltend macht, staatliche Transferleistungen, wie Sozialhilfe, Grundsicherung oder Bürgergeld, seien als Einkommen bei der Wertberechnung zu berücksichtigen. Die Antragsgegnerin habe im Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrages Bürgergeld i.H.v. rd. 1.400 € erhalten (August 2024). Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin ein Einkommen i.H.v. 150 € erzielt. Allein das 3-fache Nettoeinkommen der Antragsgegnerin übersteige den Mindeststreitwert. Hinzuzurechnen sei das Einkommen des Antragstellers.

Während das AG der Beschwerde nicht abhalf, gab das OLG ihr statt und setzte den Verfahrenswert auf 10.000 € fest.

Die Gründe:
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 FamGKG ist der Verfahrenswert in Ehesachen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten, nach Ermessen zu bestimmen, wobei nach § 43 Abs. 1 Satz 2 FamGKG der Wert nicht unter 3000 € und nicht über 1 Mio. € angenommen werden darf. Nach § 43 Abs. 2 FamGKG ist für die Einkommensverhältnisse das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Ehegatten einzusetzen. Ob soziale Transferleistungen, insbesondere solche nach dem SGB II oder SGB XII dem Einkommen zugerechnet werden, ist umstritten.

Eine Auffassung will die bezeichneten Transferleistungen außer Acht lassen. Dabei beruft sich diese Meinung im Wesentlichen darauf, dass das Gesetz mit der Bezugnahme auf Einkommen für die Gebührenberechnung an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit anknüpfe; staatliche Transferleistungen seien indes gerade Ausdruck fehlender wirtschaftlicher Leistungskraft. Auch der Wortlaut spreche gegen eine Berücksichtigung staatlicher Transferleistungen. Auch der Mindestwert von 3.000 € spreche gegen ein Verständnis, das auch reine Transferleistungen als Nettoeinkommen verstehen will; andernfalls liefe der vom Gesetzgeber festgelegte Mindestwert weitgehend ins Leere. Eine andere Auffassung will diese Leistungen im Rahmen der Ermittlung des Einkommens berücksichtigen.

Der Senat schließt sich letztgenannter Auffassung an. § 43 FamGKG stellt auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten ab. Für die wirtschaftlichen Verhältnisse ist es unerheblich, aus welchen Quellen das bezogene Einkommen stammt, insbesondere ob es sich um Erwerbs- oder Nichterwerbseinkünfte handelt. Auch Sozialleistungen beeinflussen die wirtschaftlichen Verhältnisse. Es ist kein Grund ersichtlich, einen Beteiligten, der ein Erwerbseinkommen in Höhe des Existenzminimums bezieht, anders zu behandeln als einen Beteiligten, der in gleicher Höhe Sozialleistungen bezieht. Beide sind wirtschaftlich gleich leistungsfähig, sodass eine Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt ist.

Demzufolge ergibt sich folgende Berechnung: Für den Antragsteller sind 1.000 € anzusetzen. Die Beschwerdeführerin hat das Einkommen des Antragstellers auf mindestens 1.000 € geschätzt. Keiner der Beteiligten hat dieser Einschätzung widersprochen. Für die Antragsgegnerin sind Bürgergeld i.H.v. rd. 1.400 € sowie ein weiteres Einkommen i.H.v. 150 € zur berücksichtigen, insgesamt also rd. 1.550 €. Bewertungszeitpunkt in Antragsverfahren, zu denen auch die von § 43 FamGKG erfassten Verfahren gehören, ist gem. § 34 Satz 1 FamGKG der Zeitpunkt der ersten Antragstellung; es ist also der Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung maßgeblich. Das dreifache Einkommen der Ehegatten (1.000 € + 1.550 € beträgt daher rd. 7.650 €. Dieser Wert ist für die Scheidungssache anzusetzen. Für die Versorgungsausgleichsfolgesache beträgt der Verfahrenswert ausgehend von zwei Anrechten rd. 1.500 €. Insgesamt beträgt der Verfahrenswert daher bis zu 10.000 €.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 10.10.2025 10:44
Quelle: Rechtsprechungsdatenbank Schleswig-Holstein

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