BGH v. 10.7.2025 - IX ZR 108/24

Finanziertes Eigenheim: Anfechtbare Zahlungen des Schuldners auf die Darlehensverbindlichkeiten des Ehegatten

Nehmen Ehegatten gemeinsam ein Darlehen zur Finanzierung eines in ihrem hälftigen Miteigentum stehenden Grundstücks auf, können Zahlungen des Schuldners auf die Darlehensverbindlichkeiten eine anfechtbare Leistung an den anderen Ehegatten enthalten, soweit der andere Ehegatte durch die Zahlung von seiner Mithaftung befreit wird und aufgrund der Zahlung lastenfreies Eigentum erwirbt. Dient das Grundstück dem Wohnbedarf der Ehegatten, stellt die Befreiung des anderen Ehegatten von Darlehenszinsen eine entgeltliche Leistung dar, wenn diese unterhaltsrechtlich geschuldet ist. Tilgungsleistungen sind, soweit sie zu lastenfreiem Eigentum führen, auch dann als unentgeltliche Leistungen anfechtbar, wenn dem anderen Ehegatten ein Anspruch auf Befreiung von den Darlehensverbindlichkeiten zusteht und das Grundstück von beiden Ehegatten bewohnt wird.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 26.5.2020 am 17.8.2020 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Y (Schuldner). Die Beklagte ist die Ehefrau des Schuldners. Der Schuldner ging einer selbständigen Erwerbstätigkeit nach und sorgte als Alleinverdiener für die finanzielle Versorgung der Familie, während die Beklagte die Führung des Haushalts sowie weit überwiegend auch die Versorgung und Erziehung der vier gemeinsamen Kinder übernahm.

Im Jahr 2005 erwarben der Schuldner und die Beklagte ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück zu hälftigem Miteigentum. In diesem Haus wohnten sie mit ihrer Familie. Zur Finanzierung des Grundstückskaufs schlossen die Eheleute am 27.12.2005 mit einer Bank einen Darlehensvertrag über 142.000 €. Zur Sicherheit bestellten die Eheleute der Bank eine Buchgrundschuld über 142.000 € an ihrem Grundstück. Aufgrund einer Abrede der Eheleute erbrachte der Schuldner sämtliche Zins- und Tilgungszahlungen auf das Darlehen. Im Zeitraum vom 26.5.2016 bis zum 4.7.2019 zahlte er während der intakten Ehe mtl. Darlehensraten i.H.v. insgesamt rd. 24.000 €, hiervon entfielen rd. 6.000 € auf den Zinsanteil und rd. 18.000 € auf den Tilgungsanteil. Der Kläger nimmt die Beklagte unter dem Gesichtspunkt unentgeltlicher Leistungen gem. § 134 Abs. 1 InsO auf Erstattung der hälftigen Darlehensraten i.H.v. rd. 12.000 € nebst Zinsen in Anspruch.

Das LG wies die Klage ab. Das OLG gab ihr teilweise statt und verurteilte die Beklagte, an den Kläger einen Betrag i.H.v. rd. 9.000 € nebst Zinsen zu zahlen. Die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers hatten vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Mit Recht hat das OLG angenommen, dass die Tilgungsleistungen des Schuldners i.H.v. rd. 9.000 € der Anfechtung unterliegen. Die Zahlungen stellen anfechtbare Leistungen i.S.v. § 134 Abs. 1 InsO dar, weil sie unentgeltlich im Zeitraum von vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Gläubiger des Schuldners benachteiligen.

Nehmen Ehegatten gemeinsam ein Darlehen zur Finanzierung eines in ihrem hälftigen Miteigentum stehenden Grundstücks auf, können Zahlungen des Schuldners auf die Darlehensverbindlichkeiten eine anfechtbare Leistung an den anderen Ehegatten enthalten, soweit der andere Ehegatte durch die Zahlung von seiner Mithaftung befreit wird und aufgrund der Zahlung lastenfreies Eigentum erwirbt.

Dient das Grundstück dem Wohnbedarf der Ehegatten, stellt die Befreiung des anderen Ehegatten von Darlehenszinsen eine entgeltliche Leistung dar, wenn diese unterhaltsrechtlich geschuldet ist. Tilgungsleistungen sind, soweit sie zu lastenfreiem Eigentum führen, auch dann als unentgeltliche Leistungen anfechtbar, wenn dem anderen Ehegatten ein Anspruch auf Befreiung von den Darlehensverbindlichkeiten zusteht und das Grundstück von beiden Ehegatten bewohnt wird.

Allein der Umstand, dass die Übertragung eines Vermögensgegenstands im Rahmen einer ehebedingten Zuwendung erfolgt, stellt noch keine Gegenleistung dar, welche die Unentgeltlichkeit der Leistung im Sinne der anfechtungsrechtlichen Vorschriften ausschließt. Eine ehebedingte Zuwendung des alleinverdienenden Ehegatten ist auch dann als unentgeltlich zu bewerten, wenn sie als Gegenleistung für die vom nicht erwerbstätigen Ehegatten erbrachte Haushaltsführung oder Kinderbetreuung vereinbart wird.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | InsO
§ 134 Unentgeltliche Leistung
Thole in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 11. Aufl. 2023

Beratermodul Insolvenzrecht
Otto Schmidt Answers optional dazu buchen und die KI 4 Wochen gratis nutzen! Die Answers-Lizenz gilt für alle Answers-fähigen Module, die Sie im Abo oder im Test nutzen. Neuer Inhalt: Scholz GmbHG Kommentar. Enthält mit den §§ 15 ff., 135 InsO umfassende und neue Kommentierungen des Insolvenzrechts der GmbH. 4 Wochen gratis nutzen!


Kommentierung | BGB
§ 426 Ausgleichungspflicht, Forderungsübergang
Böttcher in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023

Rechtsprechung (Vorinstanz)
§§ 426, 1360, 1360a BGB: Gemeinsame Finanzierung einer Immobilie, Familienunterhalt und Altersvorsorge [m. Anm. Würdinger, S. 1861]
OLG Koblenz vom 12.07.2024 - 16 U 886/23
Markus Würdinger, FamRZ 2024, 1856

Aktionsmodul FamRZ Familienrecht
Optional Otto Schmidt Answers dazu buchen und die KI 4 Wochen gratis nutzen! Die Answers-Lizenz gilt für alle Answers-fähigen Module, die Sie im Abo oder im Test nutzen. Top-Fachzeitschriften: FamRZ und FamRB. Mit zahlreichen Werken der FamRZ-Buchreihe und ausgewählten Handbüchern. Und dem ständig wachsenden Pool von zivilrechtlichen Entscheidungen im Volltext. Inklusive Online-Aktualisierung bei den enthaltenen Kommentaren. 4 Wochen gratis nutzen!



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.09.2025 12:02
Quelle: BGH online

zurück zur vorherigen Seite