Thüringer OLG v. 8.7.2025 - 1 WF 112/25
Restitutionsantrag im Abstammungsverfahren
Die Bestimmung des § 185 Abs. 4 FamFG greift nicht ein, wenn in einem Abstammungsverfahren der Restitutionsantrag nicht auf § 185 Abs. 1 FamFG, sondern auf § 48 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 580 ZPO gestützt wird.
Der Sachverhalt:
In dem vor dem AG - Familiengericht - geführten Verfahren 2 F 21/24 beantragt das am 20 2015 geborene Kind C. G., festzustellen, dass der Antragsgegner sein Vater ist. Der Antragsgegner beantragt, den Antrag des Kindes zurückzuweisen. Am 25.3.2024 wurde die Sache verhandelt. Das eingeholte Abstammungsgutachten ergab, dass die Vaterschaft des Antragsgegners unter "der Bedingung, dass kein naher Verwandter des Antragsgegners als Vater in Betracht kommt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (d.h. praktisch) erwiesen" ist. Der Antragsgegner bekundete, in der gesetzlichen Empfängniszeit der Kindesmutter dreimal Geschlechtsverkehr mit der Kindesmutter gehabt zu haben. Er habe einen Bruder. Dieser habe noch nie Geschlechtsverkehr gehabt. Sein Bruder kenne die Kindesmutter auch nicht. Er selbst habe keine Zweifel, dass er biologischer Vater des Kindes sei.
Im Oktober 2024 stellte der Antragsgegner einen Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe (VKH). Er machte gemacht, nach der Geburt des Antragstellers habe Herr D. H. die Vaterschaft anerkannt. Er sei deshalb auch in der Geburtsurkunde vom 30.10.2015 als Vater eingetragen worden. Die Kindesmutter und H. hätten gewusst, dass H. nicht der Vater des Antragstellers sein könne. H. habe die Kindesmutter auch erst im schwangeren Zustand kennengelernt. Nach der Trennung im Jahr 2021 seien die Kindesmutter und H. auf die Idee gekommen, "H. als Vater austragen zu lassen". Dementsprechend hätten sie vorsätzlich zur Umgehung der 2-Jahres-Frist des § 1600 b BGB wahrheitswidrig vorgetragen, H. habe erst kürzlich von Zweifeln an seiner Vaterschaft erfahren. Nur aufgrund dieser Lüge habe das Vaterschaftsanfechtungsverfahren vor dem AG Meiningen (Az. 2 F 680/22) Erfolg gehabt. Der entsprechende Beschluss werde im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens aufzuheben sein, das "hiermit vorsorglich beantragt" werde. Nach Ansicht des Antragsgegners sei das Vaterschaftsfeststellungsverfahren auszusetzen, bis das Wiederaufnahmeverfahren abgeschlossen sei.
Das AG lehnte den VKH-Antrag wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverteidigung ab. Aufgrund des gerichtlich eingeholten Abstammungsgutachtens stehe mit einer posteriori Wahrscheinlichkeit von W > 99,9999% fest, dass der Antragsgegner Vater des Antragstellers sei. Unter der Bedingung, dass kein naher Verwandter des untersuchten Mannes als Vater in Betracht komme, sei die Vaterschaft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwiesen. Da ein solcher naher Verwandter vorliegend nicht in Betracht komme, stehe die Vaterschaft des Antragsgegners aufgrund des Gutachtens fest. Der Hilfsantrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens 2 F 680/22 habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme seien nicht gegeben.
Das AG half der sofortigen Beschwerde ebenso wenig ab, wie vorliegend das OLG.
Die Gründe:
Das AG hat zu Recht den VKH-Antrag des Antragsgegners wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverteidigung (§ 76 Abs. 1 FamFG, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO) abgelehnt.
Zutreffend hat das AG im Nichtabhilfebeschluss vom 10.3.2025 darauf abgestellt, dass die Erfolgsaussicht des VKH-Gesuchs erst nach Eingang der Begründung des VKH-Antrags beurteilt werden konnte. Am 28.10.2025 stand aber aufgrund des Abstammungsgutachtens, der Angaben der Kindesmutter und der eigenen Angaben des Antragsgegners im Termin vom 23.10.2025 fest, dass der Antragsgegner biologischer Vater des Kindes ist. Ebenso zutreffend ist das AG davon ausgegangen, dass das Wiederaufnahmegesuch des Antragsgegners, das er im Rahmen seines Schriftsatzes vom 28.10.2025 gestellt habe, keine Aussicht auf Erfolg hat.
Auf die spezielle Wiederaufnahmebestimmung des § 185 Abs. 1 FamFG kann sich der Antragsgegner nicht mit Erfolg berufen, da er kein derartiges Gutachten vorgelegt hat, es zudem angesichts des Ergebnisses des gerichtlichen Abstammungsgutachtens auch nicht vorlegen könnte und er zudem selbst bekundet hat, sicher zu sein, der biologische Vater des Antragsgegners zu sein. Soweit er sich auf § 826 BGB beruft, ist dies für das Statusverfahren irrelevant. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung würde allenfalls das Verhältnis zwischen dem Antragsgegner und der Kindesmutter sowie Herrn H. betreffen, nicht jedoch die Beziehung zwischen dem Antragsgegner und dem Antragsteller. Ebenso irrelevant ist das - wegen § 172 FamFG auch inhaltlich unzutreffende - Argument des Antragsgegners, er hätte am Verfahren 2 F 680/22 beteiligt werden müssen.
Zu Recht verweist der Antragsgegner darauf, dass § 185 Abs. 4 FamFG die Klagefristen des § 586 ZPO für unanwendbar erklärt. Er übersieht jedoch, dass dies lediglich für den speziellen Wiederaufnahmegrund des § 185 Abs. 1 FamFG gilt. Diese Bestimmung ergänzt die in § 580 aufgezählten Restitutionsgründe, ohne damit jedoch die Möglichkeit einzuschränken, nach allgemeinen Regeln die Wiederaufnahme zu betreiben. Konsequenterweise gilt deshalb der Ausschluss des § 586 ZPO auch nur für den Fall, dass nach § 185 Abs. 1 FamFG die Wiederaufnahme beantragt wird. Dem steht der Wortlaut des § 185 Abs. 4 FamFG nicht entgegen. Systematisch betrachtet, bezieht sich der Abs. 4 von § 185 FamFG ausschließlich auf einen Antrag, der auf § 185 Abs. 1 FamFG gestützt wird.
Mehr zum Thema:
Kommentierung | FamFG
§ 48 Abänderung und Wiederaufnahme
Abramenko in Prütting/Helms, FamFG, Kommentar, 6. Aufl. 2023
6. Aufl./Lfg. 09.2022
Kommentierung | FamFG
§ 185 Wiederaufnahme des Verfahrens
Dürbeck in Prütting/Helms, FamFG, Kommentar, 6. Aufl. 2023
6. Aufl./Lfg. 09.2022
Aktionsmodul FamRZ Familienrecht
Optional Otto Schmidt Answers dazu buchen und die KI 4 Wochen gratis nutzen! Die Answers-Lizenz gilt für alle Answers-fähigen Module, die Sie im Abo oder im Test nutzen. Top-Fachzeitschriften: FamRZ und FamRB. Mit zahlreichen Werken der FamRZ-Buchreihe und ausgewählten Handbüchern. Und dem ständig wachsenden Pool von zivilrechtlichen Entscheidungen im Volltext. Inklusive Online-Aktualisierung bei den enthaltenen Kommentaren. 4 Wochen gratis nutzen!