OLG Frankfurt a.M. 4.3.2025 - 6 UF 27/25
Zwingende Beteiligung der Großeltern im Umgangsverfahren
Leben Kinder im Haushalt der Großeltern, sind diese beide in einem Verfahren betreffend den Umgang des Vaters zwingend nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zu beteiligen, wenn das Gericht beabsichtigt, ihnen Pflichten - hier das Bringen und Abholen der Kinder zum bzw. vom Umgangsort - aufzuerlegen. Wird nur ein Großelternteil am Verfahren beteiligt, obwohl beiden Pflichten in der gerichtlichen Umgangsregelung auferlegt worden sind, kann im Beschwerdeverfahren die angefochtene Entscheidung nach § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG antragsunabhängig aufzuheben und das Verfahren an das Amtsgericht zurückzuverweisen sein.
Der Sachverhalt:
Nach der Trennung der Eltern hatten die 10 und 12 Jahre alten Kinder zunächst bei der Kindesmutter und später bei dem Kindesvater gelebt. Nach der Inhaftierung des Kindesvaters wechselte das ältere Kind in den Haushalt des Urgroßvaters und das jüngere Kind in den Haushalt der Großeltern mütterlicherseits. Die Großeltern beantragten am 7.5.2024 die Übertragung der Vormundschaft für beide Kinder auf sie.
Das AG hat von Amts wegen ein Umgangsverfahren eröffnet und im Rahmen dieses Verfahrens die Großmutter und den Urgroßvater als Beteiligte angehört. Eine Anhörung des Großvaters ist nicht erfolgt. Mit der Großmutter am 18.1.2025 zugestelltem Beschluss vom 16.1.2025 hat das AG den Umgang des Kindesvaters mit beiden Kindern dahingehend geregelt, dass dieser mit dem älteren Sohn an jedem zweiten Samstag im Monat und mit dem jüngeren Sohn an jedem dritten Samstag im Monat jeweils in der Zeit von 9 Uhr bis 18 Uhr stattfindet. Es hat beide Großeltern verpflichtet, die beiden Kinder jeweils zum Übergabetreffpunkt zu bringen und dort wieder abzuholen.
Die Großeltern haben gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt. Sie machten geltend, dass es ihnen logistisch nicht möglich sei, beide Kinder pünktlich um 18 Uhr abzuholen. Die Regelung, die sie zu 12 Fahrten pro Monat bei einer einfachen Strecke von 23 km verpflichte, sei mit hohen Benzin- und Verschleißkosten verbunden, für die sie alleine aufkommen müssten. Im Übrigen könne der Großvater bei der derzeitigen Regelung nur noch an einem Samstag im Monat arbeiten. Schließlich erlaube ihnen die Regelung nicht, zwei Wochen Urlaub am Stück zu nehmen.
Das OLG hat den Beschluss der Vorinstanz aufgehoben und die Sache an das AG zurückverwiesen.
Die Gründe:
Das AG hat es verfahrensfehlerhaft versäumt, den Großvater am Verfahren zu beteiligen. Zieht das Gericht einen gem. § 7 FamFG notwendig am Verfahren zu Beteiligenden fehlerhaft nicht hinzu, ist diesem gegenüber keine Entscheidung in der Sache getroffen worden. Es liegt insoweit eine unzulässige Teilentscheidung vor, die die Zurückverweisung des Verfahrens rechtfertigt.
Der Großvater hätte gem. § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zwingend am Verfahren beteiligt werden müssen. Pflegepersonen des Kindes können in Umgangsverfahren nicht nur gem. §§ 161 Abs. 1, 7 Abs. 3 FamFG auf Antrag oder von Amts wegen im Interesse des Kindes zu beteiligen sein, sondern sind gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG sogar regelmäßig Muss-Beteiligte, wenn das Familiengericht beabsichtigt, ihnen im Rahmen einer Umgangsregelung Pflichten, wie zum Beispiel Holen, Bringen oder Bereithalten des Kindes, aufzuerlegen. Das Erfordernis, den Großvater am Verfahren zu beteiligen, folgte hier daraus, dass zum einen das jüngere Kind seit längerem im Haushalt der Großeltern lebt und zum anderen das AG in seiner Entscheidung nicht nur der Großmutter, sondern beiden Großeltern Pflichten auferlegt hatte. Das AG hat aber verfahrensfehlerhaft lediglich die Großmutter und den Urgroßvater am Verfahren beteiligt.
Die unterlassene Beteiligung des Großvaters stellte sich zugleich als Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 26 FamFG dar. Auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse konnte das AG nicht ohne weitergehende Sachprüfung davon ausgehen, dass der Großvater bereit und in der Lage ist, die ihm auferlegten Fahrdienste zur Durchführung des Umgangs der betroffenen Kinder mit dem Kindesvater übernehmen zu können und wollen.
Das AG hat auch übersehen, dass der Großvater - unabhängig von der Verfahrensbeteiligung - persönlich anzuhören gewesen wäre. Nach § 161 Abs. 2 FamFG soll das Familiengericht in Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, die Pflegepersonen bei denen das Kind bereits seit längerer Zeit in Familienpflege lebt anhören. Hiervon sind auch Umgangsverfahren erfasst. Die Anhörung der in § 161 Abs. 1 FamFG genannten Personen ist dabei zwingend vorgesehen, da eine kindeswohlorientierte Entscheidung nur getroffen werden kann, wenn die Personen, die das Kind aufziehen und mit ihm zusammenleben, angehört werden.
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