AG Frankenthal v. 17.9.2025 - 71 F 25/25
Verpflichtung zur ungefragten Offenbarung bei Unterhaltsansprüchen volljähriger Kinder
Nimmt der Unterhaltsgläubiger weiterhin titulierte Unterhaltszahlungen entgegen, obgleich er zwischenzeitlich Einkünfte in bedarfsüberschreitender Höhe erzielt, ohne den Unterhaltsgläubiger über diese zu informieren, kann dies zur Sittenwidrigkeit i.S.d. § 826 BGB führen. Von einer Sittenwidrigkeit kann indes nicht ausgegangen werden, soweit den Unterhaltsschuldner eine Obliegenheitsverletzung durch Unterlassung eigener Nachfrage trifft.
Der Sachverhalt:
Der volljährige Antragsgegner erhielt aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs aus dem Jahr 2014 weiterhin Kindesunterhalt i.H.v. monatlich 385 € von seinem Vater, dem Antragsteller. Dieser zahlte den Betrag weiter, obwohl der Sohn sein Master-Studium der Chemie bereits im Mai 2021 erfolgreich beendet und im Anschluss ein Promotionsstudium sowie eine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter aufgenommen hatte.
Aus dieser Tätigkeit erzielte der Sohn ein Nettoeinkommen von mind. 1.800 € monatlich. Er informierte den Vater allerdings weder über den Studienabschluss noch über seine Einkünfte. Erst im Januar 2025 stellte der Vater zufällig über die Internetplattform LinkedIn fest, dass der Sohn erwerbstätig war. Daraufhin forderte er die überzahlten Unterhaltsbeträge (Juni 2021 bis Ende 2022) zurück.
Das AG gab der Klage statt. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
Die Gründe:
Der Antragsteller hat gegenüber dem Antragsgegner einen Schadensersatzanspruch i.H.v. 7.315 € wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gem. § 826 BGB für 19 Monate der Überzahlung.
Aufgrund der Höhe des erzielten Einkommens des Sohnes – das den Bedarf um mindestens das Doppelte überstieg – bestand evident eine Pflicht zur ungefragten Information über die veränderten Einkommensverhältnisse ab Juni 2021. Die Tatsache, dass der Sohn die Unterhaltszahlungen trotz vollständiger Bedarfsdeckung bei gleichzeitiger Verschweigung der eigenen Einkünfte weiterhin angenommen hatte, konnte als sittenwidrig gewertet werden.
Allerdings wurde der Anspruch auf die Zahlungen bis zum Ablauf des Jahres 2022 begrenzt. Schließlich hätte sich dem Vater nach Ablauf der mutmaßlichen Regelstudienzeit (drei Jahre Bachelor, zwei Jahre Master) und damit spätestens mit Ende des Jahres 2022 eine Obliegenheit zur eigenen Erkundigung über den Stand des Studiums und die Einkommensverhältnisse des inzwischen fast 30-jährigen Sohnes aufdrängen müssen. Durch das Unterlassen dieser niedrigschwelligen Nachfrage (etwa mittels Auskunftsanspruch nach § 1605 BGB) entfiel ab diesem Zeitpunkt die ungefragte Informationspflicht des Sohnes. Das Verhalten des Sohnes war insofern ab 2023 nicht mehr als sittenwidrig anzusehen, da sich die Obliegenheiten beider Parteien insoweit die Waage hielten.
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