OLG Karlsruhe v. 16.7.2025 - 5 WF 96/24

Zur Berücksichtigung eines Jobrads in der Unterhaltsberechnung

Ist ein Unterhaltsschuldner unterhaltsrechtlich berechtigt, das Leasing eines Fahrrads über den Arbeitgeber (Jobrad) in Anspruch zu nehmen, muss er sich den zu versteuernden geldwerten Vorteil für das Fahrrad zurechnen lassen. Die monatlichen Leasingraten sind ggf. als berufsbedingte Aufwendungen zu berücksichtigen. Besteht keine Berechtigung, ist der Unterhaltsschuldner so zu stellen, als hätte er kein Jobrad und eine fiktive Steuerberechnung ist durchzuführen.

Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die Teilversagung von Verfahrenskostenhilfe (VKH) für einen Antrag auf Trennungsunterhalt. Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben am 2010 geheiratet und leben seit Frühjahr 2023 getrennt. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, L (geb. 2010), J (2014) und N (2021). Die Kinder leben bei der Antragstellerin. Der Antragsgegner hat zwei weitere Kinder. 

Seit November 2023 hat der Antragsgegner ein Jobrad, welches im Wege der Gehaltsumwandlung finanziert wird. Die mtl. Leasingraten i.H.v. rd. 125 € werden vom Bruttoeinkommen des Antragsgegners abgezogen und sind steuerfrei. Die Leasingraten werden vom Arbeitgeber direkt an den Leasinggeber bezahlt, aber der Sache nach vom Antragsgegner durch Verzicht auf Auszahlung des Gehalts in gleicher Höhe finanziert. Versteuert wird lediglich der geldwerte Vorteil i.H.v. mtl. 9 €, der zunächst dem Bruttoeinkommen zugerechnet und dann vom Nettoeinkommen wieder abgezogen wird.

Mit Schriftsatz vom 25.4.2024 beantragte die Antragstellerin die Bewilligung von VKH für einen beabsichtigten Trennungsunterhaltsantrag. Der Antragsgegner trat dem Antrag mit der Begründung entgegen, zur Zahlung von Trennungsunterhalt nicht leistungsfähig zu sein.

Das AG - Familiengericht - bewilligte der Antragstellerin VKH für den ersten Rechtszug, soweit die Antragstellerin von dem Antragsgegner ab Januar 2024 Trennungsunterhalt i.H.v. 43 € mtl. begehrt. Im Übrigen lehnte es den Antrag ab. Zur Begründung führte es aus, dass der Antragsgegner lediglich hinsichtlich eines Unterhaltsanspruchs i.H.v. mtl. 43 € leistungsfähig sei.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hatte vor dem OLG teilweise Erfolg.

Die Gründe:
Die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung ist hinreichend i.S.v. §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 114 Abs. 1 ZPO, wenn nach vorläufiger summarischer Prüfung der Rechtsstandpunkt der Antragstellerin zumindest objektiv vertretbar erscheint und für den Verfahrenserfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Nach diesem großzügigen Prüfungsmaßstab ist vorliegend eine Erfolgsaussicht für den beabsichtigten Trennungsunterhaltsanspruch nur teilweise gegeben.

Für den Zeitraum vom 1.1.2024 bis zum 17.7.2024 ist von einer Leistungsfähigkeit des Antragsgegners i.H.v. mtl. rd. 240 € auszugehen. Für das Jobrad sind nach dem im VKH-Prüfungsverfahren geltenden großzügigen Maßstab mtl. rd. 100 € dem Auszahlungsbetrag hinzuzurechnen. Der finanzielle Vorteil für den Antragsgegner besteht darin, dass er die Leasingrate abzgl. geldwertem Vorteil, insgesamt somit rd. 116 €, nicht versteuern muss. Bei einem Steuersatz von vorliegend ca. 15 % beträgt der monatliche Steuervorteil 17,45 €. Der Antragsgegner zahlt also weniger Steuern und verwendet gleichzeitig einen Teil seines Einkommens für den Besitz eines Fahrrads. Er finanziert damit der Sache nach einen privaten Zweck, nämlich ein (in der Regel hochwertiges) Fahrrad. Ohne die Entgeltumwandlung müsste der Antragsgegner die Leasingrate für das Fahrrad aus seinem versteuerten Einkommen bezahlen. Das für den Unterhalt einzusetzende Einkommen würde sich dadurch erhöhen, soweit die Kosten nicht als berufsbedingte Aufwendungen anerkannt werden können. Der Antragsgegner würde folglich die Leasingrate aus seinem eigenen Unterhaltsbedarf bestreiten.

Ist ein Unterhaltsschuldner unterhaltsrechtlich berechtigt, das Leasing eines Fahrrads über den Arbeitgeber (Jobrad) in Anspruch zu nehmen, muss er sich lediglich den geldwerten Vorteil für das Fahrrad, vorliegend 9 €, zurechnen lassen. Da vorliegend vom Auszahlungsbetrag vorab der geldwerte Vorteil für das Fahrrad i.H.v. 9 € in Abzug gebracht wurde, wäre dieser Betrag dem Auszahlungsbetrag wieder hinzuzurechnen. An dem Steuervorteil aus dem Jobrad, der in dem durchschnittlichen Auszahlungsbetrag bereits enthalten ist, partizipiert der Unterhaltsberechtigte. Einer fiktiven Steuerberechnung bedarf es in diesem Fall daher nicht. Soweit das Jobrad anteilig für Fahrten zum Arbeitsplatz genutzt wird, würden die Leasingrate von mtl. rd. 125 € ggf. anteilig als berufsbedingte Aufwendungen zu berücksichtigen sein, und die vorliegend angesetzte Pauschale von 5% für berufsbedingte Aufwendungen i.H.v. mtl. 183 € würde sich in dieser Höhe verringern.

Besteht unterhaltsrechtlich keine Berechtigung, das Leasing eines Fahrrads über den Arbeitgeber in Anspruch zu nehmen, ist der Unterhaltsschuldner so zu stellen, als hätte er kein Jobrad. Die Leasingrate i.H.v. mtl. rd. 125 € wäre zunächst dem Einkommen des Antragsgegners wieder hinzuzurechnen und der dem Bruttoeinkommen hinzugerechnete geldwerte Vorteil i.H.v. mtl. 9 € wieder abzuziehen. Der Steuervorteil, der sich vorliegend auf rd. 17,45 € beläuft, würde rechnerisch wegfallen und wäre daher vom Auszahlungsbetrag abzuziehen. Der mtl. Auszahlungsbetrag des Antragsgegners würde sich demnach um rd. 99 € erhöhen (125 € - 9 € - 17,45 €). Ob der Antragsgegner unterhaltsrechtlich berechtigt ist, das Leasing des Fahrrads über den Arbeitgeber in Anspruch zu nehmen, ist im Hauptsacheverfahren zu klären. Zu Gunsten der Antragstellerin ist vorliegend der für sie günstigere Betrag von rd. 99 € hinzuzurechnen.

Ab dem 18.07.2024 ist der Antragsgegner einem weiteren Kind unterhaltsverpflichtet. Eine Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Trennungsunterhalt besteht ab diesem Zeitpunkt nicht mehr. Da die minderjährigen Kinder vorrangig unterhaltsberechtigt sind (§ 1609 BGB), wäre vor einer Verpflichtung zur Zahlung von Trennungsunterhalt zunächst der Mindestunterhalt der Kinder sicherzustellen. Aber bereits nach Abzug des titulierten Kindesunterhalts für das Kind M i.H.v. mtl. 325 € verbleibt dem Antragsgegner nur ein Monatseinkommen von rd. 1.500 €, somit ein Betrag, der unterhalb des Selbstbehalts von 1.600 € liegt. Der für Juli 2024 geschuldete Trennungsunterhalt verringert sich dadurch auf aufgerundet 153 €. Ab dem 31.1.2025 ist darüber hinaus auch noch der Unterhalt für das Kind E in Abzug zu bringen. Eine Leistungsfähigkeit des Antragsgegners zur Zahlung von Trennungsunterhalt besteht nicht.

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Kroll-Ludwigs in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
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FAMRB0080880

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.08.2025 12:42
Quelle: Landesrecht BW

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