OLG Karlsruhe v. 24.7.2025 - 5 WF 49/25
Prüfung der Vollstreckungsvoraussetzungen für Umgangstitel
Die Erfordernis der Vollstreckungsklausel nach § 86 Abs. 3 FamFG bezieht sich auf das erstinstanzliche Gericht. Die Vollstreckungsvoraussetzungen sind für amtswegige Umgangsverfahren von Amts wegen herbeizuführen. Im Zeitpunkt der Zuwiderhandlung muss nur die Handlungspflicht bestehen. Die Vollstreckungsvoraussetzungen müssen erst im Zeitpunkt der Festsetzung von Ordnungsmitteln vorliegen.
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrags auf Festsetzung von Ordnungsmitteln in einem Umgangsverfahren. Antragsteller und Antragsgegnerin sind Eltern der Kinder S und M. Die Kinder leben bei der Mutter. Über den Umgang des Vaters schlossen die Eltern beim OLG Karlsruhe am 21.3.2018 (5 UF 12/18) eine Vereinbarung, die u.a. folgende Regelung enthält:
"Der Vater hat mit seinen Kindern, M (geb. 2014), und S (geb. 2011) an jedem dritten Wochenende, beginnend mit der jeweils ersten Kalenderwoche des Jahres, Umgang. Er wird die Kinder jeweils am Freitag 17.30 Uhr an der jeweiligen Wohnadresse der Mutter, soweit diese Adresse in Südbaden liegt, abholen und bis Sonntag 17.30 Uhr dorthin zurückbringen. Alternativ kann der Vater in Absprache mit der Mutter die Kinder freitags auch direkt beim Kindergarten abholen."
Das OLG billigte die Vereinbarung und erteilte den Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG. Die Akten wurden gem. § 8 Abs. 4 Satz 1 der Aktenordnung an das AG - Familiengericht - zurückgesandt. Anfang März 2024 beantragte der Vater beim AG eine Abänderung der Umgangsregelung u.a. dahin, dass der Umgang freitags bereits um 16 Uhr beginne und die Mutter verpflichtet sei, die Kinder pünktlich zum Flixbus am Hauptbahnhof in Freiburg zu bringen.
Für das am 19.4.2024 beginnende Vaterwochenende teilte der Vater der Mutter vorher mit, dass ihm ein Abholen der Kinder mit dem Auto nicht möglich sei, und bat diese, die Kinder um 16 Uhr zum Flixbus zu bringen, damit er gemeinsam mit den Kindern fahren könne. Zunächst teilte die Mutter mit, dies sei nicht möglich, weil sie einen Termin beim Jugendamt habe. Dies stellte sich als unrichtig heraus. Eine Vereinbarung zwischen den Eltern über Übergabeort und -zeit kam nicht zustande. Der Vater übersandte dem Sohn die gebuchten Busfahrkarten. Als der Vater um ca. 15.30 Uhr in Freiburg ankam, erfuhr er per Nachricht von seinem Sohn, dass die Kinder nicht kommen würden. Der Vater war ca. 17 Uhr an der Wohnung der Mutter. Die Kinder waren bereits im Schlafanzug und hatten keine Sachen für den Umgang gepackt. Die Mutter erklärte, es sei jetzt zu spät für eine Fahrt, außerdem seien für das Wochenende schon Geburtstagsfeiern geplant. Schließlich verweigerten die Kinder ein Mitkommen, so dass der Umgang nicht zustande kam.
Mit Anwaltsschreiben beantragte der Vater die Festsetzung eines Ordnungsgeldes, weil die Mutter den Umgang für das Wochenende vom 19.-21.04.2024 verweigert habe. Die Mutter trat dem Ordnungsmittelantrag entgegen. Der Vater habe keine vollstreckbare Ausfertigung und keinen Zustellungsnachweis vorgelegt. Sie sei davon ausgegangen, dass der Vater die Kinder um 17.30 Uhr abholen werde. Durch sein chaotisches Verhalten habe der Vater die Kinder verunsichert, so dass sie schließlich nicht mehr hätten mitkommen wollen.
Das AG wies den Antrag des Vaters ab. Dieser habe keine vollstreckbare Ausfertigung des Billigungsbeschlusses vorgelegt. Auf die sofortige Beschwerde des Vaters hob das OLG den Beschluss des AG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das AG zurück.
Die Gründe:
Zunächst hat das AG zu Recht festgestellt, dass vorliegend gem. § 86 Abs. 3 FamFG ein mit einer Vollstreckungsklausel versehener Vollstreckungstitel erforderlich ist, da die Vollstreckung nicht durch das Gericht erfolgt, das den Titel erlassen hat. Das gilt hinsichtlich des Vollstreckungstitels des OLG zunächst für das AG Freiburg. Zwar bedarf es über den Wortlaut von § 86 Abs. 3 FamFG hinaus nicht der Vollstreckungsklausel, wenn das erstinstanzlich mit der Sache befasste Familiengericht nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens und Rücksendung der Akten einen vom Beschwerdegericht erlassenen Titel vollstreckt, da es - wegen der insgesamt dort verwahrten Akten - auch dann Bestand und Wirksamkeit des Titels umfassend prüfen kann. Das für den zu vollstreckenden Titel erstinstanzlich zuständige Familiengericht ist hier aber das AG Emmendingen gewesen, wo auch die Akten verwahrt werden.
Zu Unrecht hat das AG aber angenommen, dass sich allein der Vater um die Vollstreckungsvoraussetzungen kümmern muss, insbesondere die Vollstreckungsklausel vorzulegen hat. Gem. § 87 Abs. 1 S. 1 FamFG wird das Gericht im Rahmen der Vollstreckung in Verfahren, die von Amts wegen eingeleitet werden können, von Amts wegen tätig. Beim Verfahren über den Umgang der Eltern nach § 1684 BGB handelt es sich um ein solches Amtsverfahren, so dass die Vollstreckungsvoraussetzungen bei Annahme der Notwendigkeit der Vollstreckung auch von Amts wegen herbeizuführen sind. Die Erteilung der Vollsteckungsklausel hätte das AG daher von Amts wegen veranlassen müssen. Außerdem hätte es durch Beiziehung der Akte beim AG Emmendingen die Zustellungen überprüfen müssen.
Die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes im Übrigen liegen hier vor. Die zugrunde liegende gerichtlich gebilligte Umgangsregelung ist vollstreckbar (§ 86 Abs. 1 Nr. 2 FamFG), der gem. § 89 Abs. 2 FamFG gebotene Hinweis auf die Möglichkeit der Anordnung von Ordnungsmitteln für den Fall der Zuwiderhandlung wurde erteilt. Die Mutter hat auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhaltes schuldhaft gegen diese Umgangsregelung verstoßen. Der Umstand, dass die Vollstreckungsklausel im Zeitpunkt des Verstoßes noch nicht vorlag, spielt für das Vorliegen eines Verstoßes keine Rolle. Im Zeitpunkt der Zuwiderhandlung muss nur die Handlungspflicht bestehen. Die Vollstreckungsvoraussetzungen müssen erst im Zeitpunkt der Festsetzung von Ordnungsmitteln vorliegen.
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