BGH v. 2.4.2025 - XII ZB 576/24

Verfahren auf Abänderung des Versorgungsausgleichs nach Tod eines Ehegatten

Im Verfahren auf Abänderung des Versorgungsausgleichs nach Tod eines Ehegatten sind gem. § 88 Abs. 2 SGB VI die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte des verstorbenen Versicherten nur dann für die Bewertung des Anrechts maßgebend, wenn ein neuer Rentenbezug spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs der Versichertenrente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erfolgt (Abgrenzung zu Senatsbeschluss vom 23.8.2023 - XII ZB 202/22 - FamRZ 2023, 1858).

Der Sachverhalt:
Der Antragsteller (Ehemann) begehrt die Abänderung einer Entscheidung zum Versorgungsausgleich im Wege einer "Totalrevision" nach § 51 Abs. 1 VersAusglG.

Die 1970 geschlossene Ehe des 1946 geborenen Ehemanns mit der früheren Ehefrau wurde mit Urteil des Familiengerichts vom 10.9.2002 rechtskräftig geschieden und der Versorgungsausgleich geregelt. Während der Ehezeit hatten der Ehemann ein Anrecht bei der Ärzteversorgung Niedersachsen i.H.v. mtl. rd. 2.200 € und die Ehefrau ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. mtl. rd. 370 € erworben. Das Familiengericht führte den Versorgungsausgleich im Wege des Quasi-Splittings durch, indem es zulasten des Anrechts des Ehemanns bei der Ärzteversorgung Niedersachsen ein Anrecht der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. rd. 900 € mtl., bezogen auf das Ende der Ehezeit, begründete.

Die Ehefrau, die November 2004 eine zunächst vorläufige und ab Mai 2006 dauerhaft bewilligte Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen hatte, verstarb am 28.10.2008, ohne versorgungsberechtigte Hinterbliebene zu hinterlassen. Mit Antrag vom 20.8.2021 begehrte der Ehemann eine Abänderung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich. Er beruft sich - bei unverändertem Ehezeitanteil seines in der berufsständischen Versorgung erworbenen Anrechts - auf eine wesentliche Änderung des Werts der gesetzlichen Rentenversicherung seiner Ehefrau und erstrebt im Hinblick auf deren Vorversterben eine Rückgängigmachung des gesamten Versorgungsausgleichs.

Das AG - Familiengericht - lehnte den Antrag unter Zugrundelegung eines auf Basis einer fiktiven Vollrente wegen Alters berechneten Ehezeitanteils des Anrechts der Ehefrau ab. Auf die Beschwerde des Ehemanns führte das OLG auf Basis besitzgeschützter persönlicher Entgeltpunkte der Ehefrau aus der von ihr vormals bezogenen Erwerbsminderungsrente die Abänderung durch und entschied, dass ein Versorgungsausgleich mit Wirkung ab dem 1.9.2021 nicht stattfindet. Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 2) (DRV Bund) hob der BGH den Beschluss des OLG auf und wies die Beschwerde des Ehemanns gegen den Beschluss des AG zurück.

Die Gründe:
Für die konkrete Bewertung des Anrechts der Ehefrau sind keine nach § 88 Abs. 1 Satz 2 SGB VI besitzgeschützten Entgeltpunkte zu berücksichtigen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anwendung des Besitzschutzes auf das von der Ehefrau erworbene Anrecht nicht vorliegen.

Nach § 88 Abs. 1 Satz 2 SGB VI werden, wenn ein Versicherter eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bezogen hat und spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente erneut eine Rente beginnt, für diese Rente mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrunde gelegt. Diese Voraussetzung ist für die Ehefrau nicht erfüllt, weil ihr Bezug der Erwerbsminderungsrente mit Ablauf des Monats ihres Versterbens geendet hat (§ 100 Abs. 3 SGB VI) und nicht innerhalb von 24 Kalendermonaten erneut eine Rente begonnen hat, auf die der Besitzschutz an persönlichen Entgeltpunkten anzuwenden wäre. Allerdings erstreckt sich der Besitzschutz in bestimmten Fällen noch über den Tod des Versicherten hinaus. So werden, wenn der verstorbene Versicherte eine Rente aus eigener Versicherung bezogen hat und spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente eine Hinterbliebenenrente beginnt, ihr mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte des verstorbenen Versicherten zugrunde gelegt (§ 88 Abs. 2 Satz 1 SGB VI).

In einem Fall, wo der ehemals versicherte Ehegatte zwar verstorben ist, im Anschluss an seine Versichertenrente aber eine laufende Hinterbliebenenrente (§§ 46, 48 SGB VI) gezahlt wird, hat es der Senat daher für folgerichtig erachtet, Ehezeitanteil und Ausgleichswert auf der Grundlage der Versichertenrente mit den (höheren) besitzgeschützten persönlichen Entgeltpunkten zu ermitteln (BGH v. 23.8.2023 - XII ZB 202/22 - FamRZ 2023, 1858). Auch diese Konstellation liegt hier jedoch nicht vor, da nach dem Versterben der Ehefrau keine Hinterbliebenenrente bezogen worden ist. Da somit keiner der Tatbestände erfüllt ist, der einen Besitzschutz über den Zeitpunkt von 24 Monaten nach dem Versterben der Ehefrau hinaus gewährleistet hätte, können die der Erwerbsminderungsrente zugrunde liegenden Entgeltpunkte nicht mehr für die Bewertung des Anrechts herangezogen werden. Zwar hat der Senat entschieden, dass der Wegfall der Rente durch Tod des Versicherten für sich genommen nicht bereits als "Austritt aus der Leistungsphase" als eine auf den Ehezeitanteil zurückwirkende rechtliche und tatsächliche Veränderung i.S.v. § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG anzusehen sei (BGH a.a.O.).

Stirbt der Rentenberechtigte, fällt seine Rente allerdings mit dem Ablauf des Sterbemonats weg (§ 100 Abs. 3 SGB VI). Das Versterben des ausgleichspflichtigen Ehegatten führt daher an sich zum Erlöschen seines Anrechts, welches allerdings im Rahmen des § 31 Abs. 1 VersAusglG für die Durchführung des Versorgungsausgleichs als fortbestehend zu fingieren ist. Ein allein mit dem Versterben des ausgleichspflichtigen Versicherten verbundener nachträglicher Wertverlust seiner Rentenanrechte ist dem Gesetz aber grundsätzlich fremd und kann deshalb auch der Fiktion ihres Fortbestehens nicht zugrunde gelegt werden. Dies verdeutlicht gerade der Umstand, dass der versicherungsrechtlich vorhandene Wert der zuletzt an den verstorbenen Ausgleichspflichtigen gezahlten Rente wegen der Besitzschutzvorschriften für eine Hinterbliebenenversorgung weiterhin erhalten bleiben würde. Es liegt daher beim Tod des ausgleichspflichtigen Ehegatten kein von § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG erfasster Sachverhalt vor (BGH a.a.O.).

Indessen knüpft das Gesetz den Besitzschutz bei Erwerbsminderungsrenten daran, dass innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs der bewilligten Rente ein neuer Rentenbezug beginnt. Nach dem Versterben eines Versicherten setzt der Besitzschutz voraus, dass spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs der Versichertenrente eine Hinterbliebenenrente beginnt. Das ist hier nicht der Fall.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | VersAusglG
§ 31 Tod eines Ehegatten
Norpoth/Sasse in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023

Kommentierung | VersAusglG
§ 51 Zulässigkeit einer Abänderung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs
Norpoth/Sasse in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023

Rechtsprechung (siehe Leitsatz)
§§ 51 I, 31 I VersAusglG, 225 FamFG, 307d I SGBVI: Mütterrente bei Ermittlung von Ehezeitanteil und Ausgleichswert im Abänderungsverfahren [m. Anm. Norpoth, S. 1862]
BGH vom 23.08.2023 - XII ZB 202/22
Johannes Norpoth, FamRZ 2023, 1858

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 15.05.2025 15:05
Quelle: BGH online

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