OLG Rostock v. 14.4.2024 - 11 WF 37/25
Beschleunigungsbeschwerde in Kindschaftssachen - Monatsfrist des § 155 Abs. 2 FamFG
Der Gesetzgeber hat eine grundsätzlich verpflichtende Zeitvorgabe für das Gericht gemacht, die nur in Ausnahmefällen überschritten werden darf. Das Vorliegen eines Ausnahmefalls ist vom Gericht jeweils im Einzelfall zu prüfen. Im Zweifel gilt das Beschleunigungsgebot. Ein Tätigkeitsverbot nach §§ 6 Abs. 1 Satz 1 FamFG, 47 Abs. 1 ZPO tritt nur ein, wenn ein Ablehnungsgesuch einschließlich Begründung im anhängigen Verfahren gestellt wird.
Der Sachverhalt:
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war eine Beschleunigungsbeschwerde im Rahmen einer Kindschaftssache, die eine Regelung des Umgangs zum Gegenstand hatte. Der Kindesvater hat am 27.1.2025 einen entsprechenden Antrag eingereicht, der elektronisch am 11.2.2025 eingegangen ist. Nachdem eine Sachstandsanfrage des Kindesvaters vom selben Tag nicht beantwortet worden war, hat er am 28.2.2025 Beschleunigungsrüge erhoben mit der Begründung, dass bis zum Ablauf der sog. Monatsfrist keine Förderung des Verfahrens erfolgt sei.
Das AG hat die Beschleunigungsrüge zurückgewiesen und dazu u.a. ausgeführt, es handele sich bei § 115 Abs. 2 Satz 2 FamFG um eine Soll-Vorschrift, von der in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden könne. Der Kindesvater habe in einer Vielzahl von ihm betriebener Verfahren Anträge auf Regelung des Umgangs mit seinem Sohn gestellt. Das Gericht bemühe sich, diese Verfahren soweit möglich miteinander zu verbinden, um eine einheitliche, nachhaltige Entscheidung zum Wohle des Kindes herbeizuführen. Dies sei dem Kindesvater bereits mitgeteilt worden, einschließlich einer Anregung zur Zurücknahme in einigen Verfahren angebrachter Ablehnungsgesuche, weil diese ansonsten bis zu ihrer rechtskräftigen Bescheidung einer Verbindung entgegenstünden.
Das OLG hat festgestellt, dass die bisherige Dauer des Verfahrens nicht dem Beschleunigungsgebot des § 155 Abs. 1 FamFG entspricht.
Die Gründe:
Die bisherige Dauer des Verfahrens entspricht nicht dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 Abs. 1 FamFG, soweit im Zeitpunkt ihrer Einlegung die - seitens des Kindesvaters auch angemahnte - Monatsfrist des § 155 Abs. 2 Satz 2 FamFG überschritten war. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass es sich bei dem Gebot, den Erörterungstermin spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens stattfinden zu lassen, um eine „Soll“-Vorschrift handelt.
Der Gesetzgeber hat eine grundsätzlich verpflichtende Zeitvorgabe für das Gericht gemacht, die nur in Ausnahmefällen überschritten werden darf. Das Vorliegen eines Ausnahmefalls ist vom Gericht jeweils im Einzelfall zu prüfen. Im Zweifel gilt das Beschleunigungsgebot. Im vorliegenden Fall war das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles allerdings nicht ersichtlich. Zunächst bestand kein Tätigkeitsverbot nach §§ 6 Abs. 1 Satz 1 FamFG, 47 Abs. 1 ZPO. Dies tritt nur ein, wenn ein Ablehnungsgesuch einschließlich Begründung im anhängigen Verfahren gestellt wird (vgl. BGH, Beschl. v. 6.6.2012, IX ZB 25/12), und hieran fehlte es im vorliegenden Fall.
Zwar hatte der Kindsvater in seiner Beschwerdebegründung ausgeführt, dass jener eine Befangenheit aufgrund seines Vorgehens im Hinblick auf die beantragte Akteneinsicht zum Ausdruck bringe. Ist das Vorliegen eines Ablehnungsgesuches allerdings im Wege der Auslegung zu bestimmen, gehen Zweifel zu Lasten des Beteiligten. Hat der Kindesvater in anderen Verfahren offenbar bereits konkrete Befangenheitsanträge gestellt, ist insofern anzunehmen, dass er solche gegebenenfalls durchaus ausdrücklich formuliert. Hier konnte jedoch angenommen werden, dass der Kindsvater eine Förderung des Verfahrens (gerade) nicht durch ein Zwischenverfahren über eine Richterablehnung zu erschweren beabsichtigt hatte.
Weiterhin genügen dann bloße Ankündigungen beabsichtigter Maßnahmen zur Förderung des Verfahrens - hier in Abhängigkeit von einer Stellungnahme des Kindesvaters zu einer Zurücknahme von anderweitigen Ablehnungsgesuchen als Voraussetzung einer in Aussicht genommenen Verbindung mehrerer Verfahren - nicht, um dem Beschleunigungsgrundsatz zu entsprechen. Schließlich konnten auch die Überlegung, dem Kind vermehrte Anhörungen zu ersparen und damit einhergehende Belastungen zu verringern oder zu vermeiden, zu keinem anderen Ergebnis führen.
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Aufsatz
Verfahren in Kindschaftssachen zwischen Beschleunigungsgebot, Praktikabilitätserwägungen und Verfahrensgarantien
Katja Schweppe, FamRZ 2024, 333
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