EuGH, C-713/23: Schlussanträge des Generalanwalts vom 3.4.2025
Anerkennung der ausländischen Heiratsurkunde eines gleichgeschlechtlichen Paares
Das Unionsrecht verpflichtet einen Mitgliedstaat zur Anerkennung der Eheschließung zwischen gleichgeschlechtlichen Personen, aber nicht zur Eintragung der Heiratsurkunde in ein Personenstandsregister. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die Eintragung das einzige Mittel ist, die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Personen in einem Mitgliedstaat anzuerkennen, der dies nicht vorsieht.
Der Sachverhalt:
Die Kläger sind polnische Staatsbürger und gingen im Jahr 2018 in Berlin die Ehe ein. Einer von beiden besitzt auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Kläger beantragten in der Folge die Umschreibung ihrer deutschen Heiratsurkunde in das polnische Personenstandsregister. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass das polnische Recht die Eheschließung zwischen Personen gleichen Geschlechts nicht vorsehe. Daher laufe die Umschreibung der betreffenden Heiratsurkunde den Grundprinzipien der polnischen Rechtsordnung zuwider. Die Kläger wenden sich gegen diese Ablehnung und machen geltend, sie beabsichtigten, sich in Polen zu bewegen und aufzuhalten und dabei als verheiratete Personen anerkannt zu werden.
Das mit der Sache befasste polnische Gericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Es möchte wissen, ob die Regelung oder die Praxis eines Mitgliedstaats, die es weder ermöglicht, die Eheschließung zwischen gleichgeschlechtlichen Personen anzuerkennen noch die entsprechende Heiratsurkunde in das Personenstandsregister einzutragen, mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
Die Gründe:
Generalanwalt Jean Richard de la Tour stellt in seinen Schlussanträgen fest, dass das Personenstandsrecht, zu dem die Regelungen über die Ehe gehören, in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt. Bei der Ausübung dieser Zuständigkeit müssen die Mitgliedstaaten jedoch das Unionsrecht beachten. Der Umstand, dass der in einem anderen Mitgliedstaat geschlossene Bund der Ehe keinerlei Anerkennung erfährt, beschränkt das Unionsbürgern durch das Unionsrecht gewährte Recht, sich frei zu bewegen und aufzuhalten. Zudem kann die Nichtanerkennung des Ehebundes das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens beeinträchtigen.
Daher obliegt es den Mitgliedstaaten, wenn sie in ihrem nationalen Recht die Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts nicht vorsehen, geeignete Verfahren einzuführen, um sicherzustellen, dass in einem anderen Mitgliedstaat geschlossene Ehen nach außen dokumentiert werden. Diese Verfahren zielen darauf ab, gleichgeschlechtliche Paare nicht in einem rechtsfreien Raum zu lassen und die grundlegenden Aspekte ihres Lebens in Bezug auf Eigentum, Steuer- oder Erbschaftsangelegenheiten zu regeln.
Jeder Mitgliedstaat ist zuständig, die Modalitäten der Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Paaren festzulegen. Diese Anerkennung setzt nicht voraus, dass die Heiratsurkunde in ein Personenstandsregister eingetragen wird, sofern die Ehe ohne diese Formalität ihre Wirkungen entfaltet. Da es in Polen jedoch keine alternativen Lösungen gibt, die es erlauben, den Ehestand nachzuweisen (etwa die Übergabe eines anderen amtlichen Dokuments, das von den polnischen Behörden anerkannt werden könnte), ist Polen verpflichtet, die fragliche Heiratsurkunde in sein Personenstandsregister einzutragen.
Mehr zum Thema:
Rechtsprechung
Art. 8, 14, 58 EMRK: Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare in Polen [LSe m. Anm. Bugajski]
EuGHMR vom 12.12.2023 - BESCHWERDE NR. 11454/17 U. A.
Błażej Bugajski, FamRZ 2024, 627
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