VG Berlin v. 24.3.2023 - VG 3 L 24/23

Elterliches Erziehungsrecht verletzt? Eilantrag gegen Gendern in der Schule erfolglos

Das VG Berlin hat den Eilantrag eines Vaters gegen die teilweise Verwendung einer genderneutralen Sprache an den Gymnasien seiner beiden Kinder sowie die aus seiner Sicht dort im Ethikunterricht einseitig dargestellte Identitätspolitik und die „Critical Race-Theory“ zurückgewiesen.

Der Sachverhalt:
Ein Vater ging gerichtlich gegen die teilweise Verwendung einer genderneutralen Sprache an den Gymnasien seiner beiden Kinder sowie die aus seiner Sicht dort im Ethikunterricht einseitig dargestellte Identitätspolitik und die „Critical Race-Theory“ vor. Das VG Berlin hat den Eilantrag zurückgewiesen. Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim OVG eingelegt werden.

Die Gründe:
Es ist vor dem Hintergrund des staatlichen Erziehungsauftrags in der Schule nicht erkennbar, dass das elterliche Erziehungsrecht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit verletzt ist und die Schulaufsicht einschreiten müsste. Die Schulleitungen haben den Lehrkräften die Verwendung genderneutraler Sprache im Unterricht ausdrücklich freigestellt und gleichzeitig klar darauf hingewiesen, dass die Regeln der deutschen Rechtschreibung im Lehr- und Lernprozess einzuhalten sind.

Die Benutzung genderneutraler Sprache in Lehrmaterialien und Arbeitsblättern überschreitet nicht den durch die Rahmenlehrpläne eingeräumten Spielraum bei der Gestaltung von Unterrichtsmaterialien, zumal genderneutrale Sprache Gegenstand von Unterrichtseinheiten ist, wenn auch nicht in der vom Vater favorisierten Weise. Gegen die Vorgabe der deutschen Amtssprache verstößt eine genderneutrale Kommunikation der Schulen mit Eltern- und Schülerschaft nicht, da diese angesichts der breiten öffentlichen Diskussion selbst bei Verwendung von Sonderzeichen hinreichend verständlich bleibt.

Der Verwendung genderneutraler Sprache kann schließlich nicht das Gebot der politischen Neutralität im Schuldienst entgegengehalten werden, weil mit ihr keine politische Meinungsäußerung einhergeht und heutzutage überdies sowohl die Verwendung als auch die Nichtverwendung eine politische Zuschreibung zulassen.

Der Eilantrag kann außerdem deshalb keinen Erfolg haben, weil der Vater keine schweren und unzumutbaren Nachteile seiner Kinder durch die angegriffene Schreib- und Sprechweise nachgewiesen hat, zumal der Spracherwerb bei den beiden Zehntklässlern weitgehend abgeschlossen sein dürfte.

Die weitere Behauptung des Vaters, dass Gendersprache, Identitätspolitik und „Critical Race-Theory“ einseitig dargestellt und seine Kinder „indoktriniert“ würden, hat sich nach den eingeholten Stellungnahmen nicht bestätigt. In einem freiheitlich-demokratisch ausgestalteten Gemeinwesen kann die Schule zudem offen für ein breites Spektrum von Meinungen und Ansichten sein. Den Kindern ist es grundsätzlich zuzumuten, mit den Auffassungen und Wertvorstellungen einer pluralistischen Gesellschaft - trotz eines möglichen Widerspruchs zu ihren eigenen Überzeugungen - konfrontiert zu werden.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 28.03.2023 13:46
Quelle: VG Berlin PM Nr. 17 vom 27.3.2023

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