OLG Hamburg v. 18.8.2022 - 12 WF 87/22

Umgangsverfahren: Ohne vorhergehende Beratung durch das Jugendamt droht Ablehnung von Verfahrenskostenhilfe wegen Mutwilligkeit

Wenn in einem Umgangsverfahren ein Elternteil vor Inanspruchnahme des Gerichts keine Beratung oder Vermittlung durch das Jugendamt in Anspruch nimmt, kommt im Einzelfall die Ablehnung von Verfahrenskostenhilfe wegen Mutwilligkeit in Betracht.

Der Sachverhalt:
Der Vater begehrt die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für ein Umgangsverfahren. Er reichte einen Antrag auf Regelung des Umgangs der Mutter mit dem gemeinsamen Sohn X ein. Dieser lebte zunächst in einer Wohngruppe bevor er in den Haushalt des Vaters wechselte. Der jüngerer Sohn Y und ein älterer Sohn Z leben bei der Mutter. Der Umgang mit X findet vierzehntägig am Wochenende sowie donnerstags nachmittags statt.

Der Vater möchte erreichen, dass der Umgang der Mutter mit X in einer Zeit stattfindet, in der der gemeinsame Sohn Z nicht bei der Mutter ist. Er trug vor, dass die Mutter den Umgang mit den Söhnen am Wochenende gemeinsam ausüben möchte, so dass sie am darauffolgenden Wochenende frei hat.

Das AG wies darauf hin, dass es einen Regelungsbedarf nicht erkennen könne. Die Eltern seien sich über die Zeiten des Umgangs einig. Die Gestaltung des Umgangs obliege der Mutter. Ihr könne nicht vorgeschrieben werden, den weiteren Sohn beim Umgang auszuschließen. Der Vater habe zunächst zu versuchen mit der Mutter beim Jugendamt eine Absprache zu treffen bevor er Verfahrenskostenhilfe in Anspruch nehmen könne. Darauf teilte der Vater mit, dass er es zum Wohle des Kindes für angezeigt halte, den Umgang zu reduzieren.

Das AG wies den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurück. Die sofortige Beschwerde des Vaters hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das AG hat den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zu Recht abgelehnt. Die Rechtsverfolgung des Vaters ist derzeit mutwillig.

Mutwillig ist nach der Legaldefinition des § 114 Abs. 2 ZPO die Rechtsverfolgung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Wenn in einem Umgangsverfahren ein Elternteil vor Inanspruchnahme des Gerichts keine Beratung oder Vermittlung durch das Jugendamt in Anspruch nimmt, kommt im Einzelfall die Ablehnung von Verfahrenskostenhilfe wegen Mutwilligkeit in Betracht. Es ist dem Hilfsbedürftigen grundsätzlich zunächst abzuverlangen, dass er die ihm kostenfrei zugänglichen Angebote - insbesondere die Vermittlungsbemühungen des Jugendamtes - zur Erreichung seines Zieles wenigstens versuchsweise wahrnimmt, bevor er gerichtliche Hilfe in Anspruch nimmt. Sind solche Bemühungen dagegen fehlgeschlagen, erkennbar aussichtslos oder verbietet eine besondere Dringlichkeit die Inanspruchnahme außergerichtlicher Hilfe, ist Verfahrenskostenhilfe grundsätzlich zu gewähren.

Vorliegend hat der Vater bisher nicht dargelegt, dass er dem nachgekommen ist. Vielmehr hat er die Regelung des Umgangs beantragt, ohne darzulegen, dass er seinerseits das Jugendamt um Vermittlung gebeten hätte oder aus welchen Gründen die Vermittlung aussichtslos sein sollte. Soweit der Vater darauf hinweist, dass auch das Jugendamt es für wünschenswert erachtet, dass X ungeteilte Zeit mit seiner Mutter verbringt, ist nicht erkennbar, dass er sich um eine Vermittlung zwischen den Eltern bemüht hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der zahlreichen familiengerichtlichen Verfahren bereits ein Kontakt zum Jugendamt besteht und zwischen den Beteiligten offenbar grundsätzlich Einigkeit darüber besteht, dass die Mutter mit X unbegleiteten Umgang pflegt. Die Uneinigkeit der Eltern erscheint dabei nicht unüberbrückbar. Vor diesem Hintergrund wird der Vater zunächst seine außergerichtlichen Bemühungen im Einzelnen darzulegen haben.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Anhörung des Kindes durch das Beschwerdegericht in Verfahren betreffend die Aufhebung kindesschutzrechtlicher Maßnahmen gemäß § 1696 Abs. 2 und 3 BGB
Stephan Hammer, FamRZ 2022, 1581

Aufsatz:
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Kindschaftssachen – Teil 2
Harald Vogel, FamRB 2022, 413

Alles abrufbar im Aktionsmodul Familienrecht:
Online-Unterhaltsrechner. Mit den aktuellen Werten der Düsseldorfer Tabelle 2022! Top Inhalte online: FamRZ und FamRZ-Buchreihe von Gieseking, FamRB Familien-Rechtsberater von Otto Schmidt, „Gerhardt“ von Wolters Kluwer und vielen Standardwerken. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO: Für Fachanwälte mit Beiträgen zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.10.2022 17:27
Quelle: Landesrecht Hamburg

zurück zur vorherigen Seite