LAG Berlin-Brandenburg v. 28.12.2023 - 12 Ta 960/23

Prozesskostenvorschuss: Streitigkeit um Arbeitsentgelt keine persönliche Angelegenheit iSv § 1360a BGB?

Familienrechtliche Ansprüche auf Prozesskostenvorschuss gegen den Ehegatten können der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch die Landeskasse entgegenstehen. Wenn jedoch Arbeitslohn eingeklagt wird, liegt keine persönliche Angelegenheit iSv § 1360a Abs. 4 BGB vor, sodass der familienrechtliche Anspruch auf Prozesskostenvorschuss ausscheidet. Die Landeskasse kann also in diesem Fall die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht mit Verweis auf familienrechtliche Ansprüche des Antragstellers ablehnen. Dies entschied das LAG Berlin. Die Rechtsprechung der LAG ist in diesem Punkt uneinheitlich.

Der Sachverhalt:
Gegenstand der sofortigen Beschwerde ist die Ablehnung von Prozesskostenhilfe. Mit ihrer Klage verfolgt die Antragstellerin und Arbeitnehmerin gegen den Arbeitgeber nach mehreren rechtskräftig für unwirksam erklärten Kündigungen u.a. Verzugslohnansprüche. Das Verfahren in der Hauptsache endete durch Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis beendet ist und die Beklagte die eingeklagte Summe sowie eine Abfindung an die Antragstellerin zahlen muss.

Den mit der Klage gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wies das ArbG zurück. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin könne zwar nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen nicht selbst die Kosten des Prozesses tragen, sie habe jedoch gegen ihren Ehemann im Hinblick auf dessen monatliche Nettovergütung von über 2.800 € einen familienrechtlichen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss, der der Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorgehe.

Das ArbG half der sofortigen Beschwerde nicht ab. Die sofortige Beschwerde vor dem LAG hatte hingegen überwiegend Erfolg. Rechtsbeschwerde dagegen ist eingelegt und unter dem Az. 4 AZB 4/24 anhängig beim BAG.

Die Gründe:
Entgegen der Annahme des ArbG scheitert die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Zahlungsantrag nicht an einem Anspruch der Antragstellerin auf Prozesskostenvorschuss gegen ihren Ehemann. Ein solcher Anspruch besteht vorliegend nicht. Es fehlt an der Voraussetzung, dass der Rechtsstreit eine persönliche Angelegenheit betreffen muss.

§ 1360a Absatz 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) regelt, dass dann, wenn ein Ehegatte nicht in der Lage, die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen, der eine persönliche Angelegenheit betrifft, der andere Ehegatte verpflichtet ist, ihm diese Kosten vorzuschießen, soweit dies der Billigkeit entspricht.

Für arbeitsrechtliche Bestandsstreitigkeiten einschließlich Kündigungsschutzprozessen hat das BAG eine genügend enge Verbindung zur Person im Hinblick auf die Berechtigung und die Verpflichtung beider Ehegatten zu Erwerbstätigkeit und wechselseitigem Unterhalt zutreffend angenommen (BAG v. 5.4.2006 - 3 AZB 61/04).

Streitigkeiten um Arbeitsentgelt hingegen werden teils zu den persönlichen Angelegenheiten im Sinne von § 1360a Absatz 4 BGB gezählt (LAG Rheinland-Pfalz v. 11.1.2012 - 6 Ta 263/11; LAG Sachsen-Anhalt v. 31.3.2009 - 2 Ta 25/09), teils wird dies aber auch abgelehnt (LAG Berlin-Brandenburg v. 25.11.2022 - 21 Ta 1118/22; LAG Nürnberg v. 19.6.2018 - 3 Ta 58/18; LAG Hamm v. 7.12.2009 - 14 Ta 489/09).

Das Gericht schließt sich der ablehnenden Meinung an. Entgeltstreitigkeiten sind keine persönlichen Angelegenheiten im Sinne von § 1360a Absatz 4 BGB, für die ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss in Betracht kommt. Es kann nicht die gesamte Gruppe der Entgeltstreitigkeiten in die persönlichen Angelegenheiten einbezogen werden. Der hierfür herangezogene Bezug zur Sicherung des ehelichen Lebensunterhalts reicht dafür nicht aus. Die Überlegungen des BAG zur Bestandsstreitigkeit als persönliche Angelegenheit im Sinne von § 1360a Absatz 4 BGB sind nicht auf Entgeltstreitigkeiten zu übertragen. Dies gilt auch für die vorliegend angesprochene Teilgruppe von Entgeltstreitigkeiten, mit denen das gesamte Arbeitsentgelt für einen erheblichen, mehrere Monate übersteigenden Zeitraum geltend gemacht wird.

Wegen der herangezogenen divergierenden Entscheidungen anderer LAG bei der Beantwortung der Frage nach der Einordnung von Entgeltklagen als persönliche Angelegenheit war für die Landeskasse die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

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Link zum Volltext der Entscheidung

Aufsatz:
Verfahrenskostenhilfe - ein Dauerthema in der familienrechtlichen Praxis
FuR 2023, 422

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 19.03.2024 14:54
Quelle: Justiz Berlin online

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