BGH v. 30.11.2022 - XII ZB 311/22

Zur Frage der Abrechnung des als Betreuer bestellten Rechtsanwalts nach anwaltlichem Gebührenrecht

Der als Betreuer bestellte Rechtsanwalt kann eine Tätigkeit im Rahmen der Betreuung gem. § 1835 Abs. 3 i.V.m. § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen, wenn und soweit sich die zu bewältigende Aufgabe als eine für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit darstellt. Hiervon ist auszugehen, wenn ein anderer Betreuer berechtigterweise die entgeltlichen Dienste eines Rechtsanwalts in Anspruch nehmen würde. Im Regelfall ist davon auszugehen, dass ein für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge bestellter nicht anwaltlicher Berufsbetreuer der höchsten Vergütungsstufe für die Vorbereitung eines Eigeninsolvenzantrags des Betreuten keiner anwaltlichen Unterstützung bedarf.

Der Sachverhalt:
Der als Rechtsanwalt auf dem Gebiet des Insolvenzrechts tätige Beteiligte ist seit November 2016 zum Betreuer des Betroffenen für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge bestellt. Er begleitete den Betroffenen, der früher selbständig tätig gewesen und hierdurch in finanzielle Schieflage geraten war, zunächst im Rahmen eines auf Fremdantrag eingeleiteten Insolvenzverfahrens und bereitete nach dessen Aufhebung einen Eigenantrag des Betroffenen auf Durchführung eines Regelinsolvenzverfahrens mit anschließender Restschuldbefreiung vor.

Aufgrund dieses Eigenantrags eröffnete das AG - Insolvenzgericht - durch Beschluss vom 22.3.2021 ein erneutes Insolvenzverfahren über das Vermögen des Betroffenen wegen Zahlungsunfähigkeit, nunmehr mit der Möglichkeit einer Restschuldbefreiung. Mit Vergütungsantrag vom 20.8.2021 beantragte der Betreuer die Festsetzung einer Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz i.H.v. rd. 900 € brutto für seine Betreuertätigkeit im Zeitraum vom 19.2.2021 bis zum 22.3.2021.

Das AG wies den Antrag zurück. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betreuers blieb vor dem LG ebenso ohne Erfolg wie die vorliegende Rechtsbeschwerde vor dem BGH.

Die Gründe:
Mit der pauschalen Vergütung nach § 1836 Abs. 2 i.V.m. § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB, §§ 4, 5 VBVG ist grundsätzlich die gesamte Tätigkeit des Betreuers abgegolten. Nach der gem. § 1 Abs. 2 Satz 3 RVG, § 5 Abs. 5 Satz 2 VBVG anwendbaren Regelung in § 1835 Abs. 3 i.V.m. § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB kann jedoch ein Betreuer dem Betreuten erbrachte Leistungen, die zu seinem Beruf gehören, als Aufwendungen gesondert geltend machen. Der als Betreuer bestellte Rechtsanwalt kann daher eine Tätigkeit im Rahmen der Betreuung gem. § 1835 Abs. 3 i.V.m. § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen, wenn und soweit sich die zu bewältigende Aufgabe als eine für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit darstellt.

Dies ergibt sich aus dem Grundsatz, dass der Betreute - und bei mittellosen Betroffenen die Staatskasse - keinen Vorteil daraus ziehen soll, dass sein Betreuer zufällig aufgrund einer besonderen beruflichen Qualifikation etwas verrichten kann, wozu ein anderer Betreuer berechtigterweise die entgeltlichen Dienste eines Dritten in Anspruch nehmen würde.

Gemessen hieran hat das LG zu Recht entschieden, dass der Betreuer keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz gem. § 1835 Abs. 3 i.V.m. § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB hat. Seine Annahme, ein nicht anwaltlicher Betreuer hätte unter den hier gegebenen Umständen keine anwaltliche Unterstützung für die Vorbereitung und das Stellen eines Regelinsolvenzantrags mit der Möglichkeit einer Restschuldbefreiung in Anspruch genommen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Zu Recht hat das LG insoweit zunächst auf die dem Betreuer nach § 1837 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB eröffnete Möglichkeit hingewiesen, sich vom Betreuungsgericht bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben beraten zu lassen. Daneben hat der Betreuer die Möglichkeit, sich von der Betreuungsbehörde beraten und bei der Erfüllung seiner Aufgaben unterstützen zu lassen. Zur Vorbereitung eines Eigeninsolvenzantrags halten zudem Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen - meist kostenlose - Beratungs- und Unterstützungsangebote bereit, so dass im Regelfall davon auszugehen ist, dass ein nicht anwaltlicher Berufsbetreuer der höchsten Vergütungsstufe für die Vorbereitung eines Eigeninsolvenzantrags des Betreuten keiner anwaltlichen Unterstützung bedarf.

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Aufsatz:
Das neue Betreuungsrecht in der notariellen Praxis
Maximilian Zimmer, NotBZ 2023, 12

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 20.01.2023 15:10
Quelle: BGH online

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