OLG Frankfurt a.M. v. 1.8.2022 - 20 W 98/21

Nach Adoption: Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Eintragungsweigerung eines nicht-binären Elternteils nicht isoliert überprüfbar

Die anfängliche Weigerung eines Standesamtes, eine Person nicht-binärer Geschlechtszugehörigkeit als Elternteil ins Geburtsregister einzutragen, kann nach späterer Adoption und daraufhin erfolgter Eintragung nicht isoliert auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden. Ein solcher Feststellungsantrag besteht im Rechtsschutzsystem der Freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht und es besteht auch keine Veranlassung für eine erweiternde Auslegung.

Der Sachverhalt:
Die Beschwerdeführer sind seit Sommer 2018 verheiratet und haben - nach reproduktionsmedizinischer Behandlung - ein gemeinsames Kind. Eine der beiden beschwerdeführenden Personen hat eine nicht-binäre Geschlechtsidentität. Schon vor der Geburt des Kindes hatten die Beschwerdeführer beantragt, dass neben der Mutter auch die Person mit nicht-binärer Geschlechtsidentität in das Geburtsregister als zweites Elternteil eingetragen wird.

Dies lehnte das Standesamt ab. Die Gesetzeslage sehe dies nicht vor; es bestehe allein die Möglichkeit der Adoption. Die Eintragung erfolgte erst, nachdem die Person mit nicht-binärer Geschlechtsidentität das Kind adoptiert hatte. Die Beschwerdeführer möchten - auch im Hinblick auf ihren Wunsch nach weiteren Kindern - festgestellt wissen, dass das Standesamt allein aufgrund der Geburtsanzeige zur Eintragung der nicht-binären Person in das Geburtsregister als Elternteil verpflichtet gewesen sei.

Das AG wies den Antrag als unzulässig zurück. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die vor dem BGH anhängige Rechtsbeschwerde der Beschwerdeführer wird dort unter dem Az. VII ZB 354/22 geführt.

Die Gründe:
Der Antrag auf Feststellung der ursprünglichen Rechtswidrigkeit der Eintragungsweigerung ist unzulässig. Das Personenstandsrecht sieht grundsätzlich kein Feststellungsverfahren vor, dass sich nicht als Berichtigung auswirken kann. Um eine Berichtigung geht es hier nach der zwischenzeitlich erfolgten Eintragung nicht mehr.

Die Beschwerdeführer können auch nicht über eine analoge Anwendung der Verfahrensvorschriften (§ 62 FamFG) die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Eintragungsweigerung verlangen. Die Vorschriften umfassen allein die Situation, dass sich eine Entscheidung des Gerichts erster Instanz später erledigt. Hier hat sich das Verfahren jedoch bereits vor der Entscheidung des AG durch die Eintragung des anderen Elternteils nach erfolgter Adoption erledigt. Es entspricht der Rechtsprechung des BGH, dass Fragen der Rechtswidrigkeit einer erledigten Maßnahme nicht außerhalb dieses gesetzlichen Rahmens geklärt werden können. Ein isoliertes Feststellungsverfahren existiert nicht.

Die Norm ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des grundrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz erweiternd auszulegen. Der Wortlaut des Gesetzes und der Wille des Gesetzgebers sprechen vielmehr dagegen. Auch eine entsprechende Anwendung der einen anderen Fall regelnden Norm auf den vorliegenden Sachverhalt scheidet aus. Bedeutung erlangt zudem, dass hier die Erledigung auf einer selbstbestimmten Entscheidung der Beschwerdeführer beruht. Es liegen auch sonst keine Umstände vor, die ein rechtliches Interesse der Beschwerdeführer an der begehrten Feststellung losgelöst vom bestehenden Rechtsschutzsystem stützen können.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
§§ 1592 Nr. 1, Nr. 2 BGB, 22 III PStG: Eintragung eines Elternteils ohne Geschlechtseintrag im Geburtenregister [m. Anm. Dutta, S. 767]
AmtsG München vom 23.02.2021 - 722 UR III 65/21
Anatol Dutta, FamRZ 2021, 766

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 28.11.2022 09:52
Quelle: OLG Frankfurt a.M. PM vom 24.11.2022

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